Briefspiel:Drachen unter sich/Teil I

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Sheniloneu3k klein.png Briefspiel in Shenilo Sheniloneu3k klein.png
Beteiligte (irdisch)
Familie Menaris klein.png Athanasius
Familie Brahl klein.png Brahl
Haus Calven klein.png Calven
Familie Cordur klein.png Cordur
Haus di Matienna.png Di matienna
Familie Tuachall klein.png Lagoil
Haus Carson klein.png OrsinoCarson
Haus Aurandis klein.png Randulfio

Die Briefspielgeschichte Drachen unter sich spannt sich um die Magistratswahlen in Shenilo im Praios 1032 BF. Ihre Fortsetzungen finden sich hier und hier.

Neunmalkluge Novizen

Shenilo, kurz vor Beginn der Consiliumsberatungen, 15. Praios 1032 BF
Scibor Tuachall strich sich just sein Wams zurecht und betrachtete sich in einem schmalen Handspiegel aus côntrisischer Fertigung, als es an der Tür seiner arivor'sch eingerichteten Kammer im Atrium klopfte. Nach seiner Aufforderung trat Malrizio Thern, ein junger Scholar von St.Brigon, ein und blieb einen Moment nervös stehen. Ungeduldig forderte ihn Scibor nach einiger Zeit auf. „Malrizio, sprich schon, ich muss in wenigen Augenblicken zum Magistratspalast gehen, wo mich wichtige Aufgaben erwarten!“ Der junge Novize holte Luft und sprudelte dann hervor. „Ich war kürzlich, natürlich zu Studienzwecken, in der Taverne Zum Riesen im neuen Gasthof. Habt ihr einmal Meister Travin di Asuriol kennengelernt?“ Scibor war etwas verwirrt, aber der Junge sprach einfach weiter. „Er scheint, glaube ich, Haus, Hof und Familie gut zu verwalten. Meint Ihr nicht?“ Für einen Augenblick dachte der Consiliere Teclador, der jungen Scholar habe gezwinkert, war sich dann aber nicht mehr sicher. Ein kurzer Blick aus dem schmalen Fenster und den Sonnenstand ließ ihn aber wieder in Eile verfallen und so war er dankbar, als der Hesinde-Novize mit einer gemurmelten Entschuldigung und hochrotem Kopf – „Zurecht!“, wie sich Scibor ob dieses unbotmäßigen Verhaltens dachte – mit Blick auf anstehenden Tempeldienst seine Kammer verließ.

Shenilo im Hochsommer

Tankred Menaris ging eiligen Schrittes die breite Treppe der Dorén-Halle nach unten. Sofort empfing ihn eine ihm unbekannte Tempelgardistin, um ihn zum Magistratspalast zu geleiten. Gerade hatte Ludovigo von Calven-Imirandi seinen Verzicht auf das Gransignore-Amt erklärt und bald wäre – nach Erhalt der AmtsinsignienEndor Dorén, Herr von Sodanyo, Gransignore von Shenilo. Er schielte kurz zu der Gardistin hinüber, die einen strammen Schritt vorlegte und ihn nicht zu beachten schien. Für einen Moment fragte er sich, ob sein Neffe Angrond absichtlich einen seiner Leute ausgewählte hatte, den Tankred nicht kannte, dann schon er den Gedanken beiseite. Es war ohnehin ohne Belang: Obwohl der Ablauf der Wahlen im Detail keineswegs vorhersehbar gewesen war, hatte sich Tankred auch auf einen solchen Wahlausgang vorbereitet und hatte es nicht nötig, nun noch eiligst bestochene Gardisten durch das unter der heißen Praios-Sonne ächzende Shenilo zu hetzen. Er lächelte über den abwegigen Gedanken.
Es dauerte nicht lange, bis die kleine Prozession aus Hesinde-Hochgeweihtem und Tempelgardistin Aufsehen erregt hatte, denn eine nicht unbeträchtliche Zahl von Sheniloern und Shenilern hatte sich in der Nähe der Dorén-Halle versammelt um das Ende der Wahlen abzuwarten. Schon riefen einige dem Hohen Lehrmeister lästige Fragen zu. Tankred bemühte sich mit der Gardistin Schritt zu halten, es war nicht seine Sache, die Leute zu informieren. Er griff stattdessen unter sein Ornat und zog ein besticktes Tuch hervor, um sich den bereits entstehenden Schweiß von der Stirn zu tupfen. Im Gehen fiel sein Blick auf seine Initialen, die seine Schwägerin Fiaga in den Stoff gestickt hatte. „Ob diese Arbeit wohl im Therbuniten-Spital entstanden ist?“ Er schob die Frage rasch beiseite, denn dann hätte er sich über Krankheiten sorgen müssen. Beim Magistratspalast angekommen, schlüpfte der Geweihte schnell durch die von seinem Neffen aufgehaltene Pforte ins Innere des trutzigen Praios-Tempels von Shenilo.

Geheimniskrämerische Geweihte

Tankred studierte eine Weile den erhobenen Arm des Horas auf einem Wandfries des Praios-Tempels. Dann erhob der Consiliere Naclador seinen Stab und gleich darauf die Stimme.
„Versammelte Consilieri. Hiermit eröffne ich die Beratungen zur diesjährigen Magistratswahl.“ Erwartungsvoll blickten ihn einige der Gesichter an. „Bevor ich das Ergebnis der Wahlen zum Gransignore verkünde, möchte ich noch einmal an die Regularien der Beratungen erinnern. Das Consilium Draconis muss gemäß dem Sheniloer Frieden dem Gransignore eine Liste mit drei geeigneten Namen für jedes Magistratsamt zum Vorschlag machen. Jeder mögliche Kandidat muss dabei jedoch die Unterstützung von mindestens drei der hier versammelten Consilieri genießen.“ Er ersparte sich weitere Bemerkungen, denn er konnte spüren, dass auch die hier Anwesenden das Wahlergebnis mit einiger Spannung erwarteten. „Nach dem Entscheid der Signoria Nobili soll Endor Dorén im kommenden Jahr als Gransignore unserer Stadt Shenilo vorstehen!“ Überraschtes Gemurmel war die Folge und Tankred mühte sich in den Gesichtern nach Anzeichen von wahrer Unwissenheit zu suchen. Nach einiger Zeit erhob er seinen Stab und wartete – länger als ihm recht war – auf das Verstummen der Consilieri.
„Ich möchte nun zu den Einzelberatungen übergehen. Jeder Consiliere hat die Möglichkeiten mit seinen Amtskollegen ins Gespräch zu kommen - ich muss nicht daran erinnern, dass wir hier als Abgesandte der wichtigsten Teilen unserer Stadt sind, nicht als Vertreter unserer Familien!“ Mit einem Nicken erhob sich der Consiliere Naclador und suchte den - wie so oft leicht gesenkten - Blick der Consiliera Aldinor. Als er sich dessen sicher war, schritt er langsam in Richtung der geöffneten Pforte zum Andachtsraum des Heiligen Gilborn.

Isida von Veliris-Balthâr

Die Consiliera Isida schien von dem Blick des älteren Herrn ein wenig eingeschüchtert, erhob sich dann aber so elegant, wie es ihre jungen Glieder ihr möglich machten. Mit - wie sie fand - gemessenen Schritten folgte sie dem Consiliere und Familienpatriarchen in die Nebenkammer. „Ein seltsamer Ort“, ermahnte sie sich, „wo wir doch keine Geheimnisse vor unsern Amtsbrüdern haben sollten...“

Tankred Menaris

Der in die Jahre kommende Menaris stand mit dem Rücken zur Türöffnung, als die junge Consiliera hinter ihm eintrat und betrachtete mit langsamem Kopfschütteln die Darstellung des Heiligen Gilborn von Punin, die der Vorgänger des Custos Lumini noch hatte einrichten lassen: Während er von einem schwarzen Einhorn verfolgt wurde, zertrat der Heilige eine giftspritzende Schlange mit dem Stiefelabsatz. „Nicht mehr zeitgemäß.“, dachte Tankred weniger zornig als amüsiert. Er wandte sich zunächst nicht um, sondern begann zu sprechen.
„Eine unerwartete Situation, in die uns Euer Verwandter, der scheidende Gransignore da gebracht hat, Consiliera.“ Er nahm an, dass Isida über den Verzicht Ludovigos informiert worden war. „Nun ist es an uns, aus der Lage das Beste zu machen.“ Tankred drehte den Oberkörper und warf der jüngeren Frau nun doch einen undeutbaren Blick zu. „Die Machtverhältnisse haben sich verschoben, aber nicht umgekehrt. Es ist immer noch möglich, die Richtigen mit den wichtigen Aufgaben, die auf die Stadt warten, zu betrauen. Aber wir werden Kompromisse eingehen müssen.“ Er wies mit seinem Stab in Richtung der Türe. „Es gibt unter unseren Kollegen vergeistigte, leidenschaftliche, nüchterne und machtbewusste Männer und Frauen. Es ist wichtig, möglichst viele von ihnen zu gewinnen.“ Er deutete auf die vergoldete Hand des Heiligen Gilborn. „Vor allem ein Haus, das nunmehr zu den Verbündeten des neuen Gransignore gerechnet werden muss, wird ganz besonders darauf bedacht sein, aus der Lage Profit zu schlagen – und es gibt wenig, was wir dagegen tun können. Im Gegenteil:“ Tankred hob einen Finger, wie er es manchmal im St. Brigon-Tempel zu tun pflegte. „Wir sollten uns damit arrangieren. Eines der beiden Magistratsämter werden wir dem Haus Aurandis überlassen müssen.“ Er hielt eine Weile inne und schien zu warten.

Isida von Veliris-Balthâr

Isida schien einen Augenblick überrascht und starrte Tankred mit ihren großen wasserblauen Augen an. „Und an welches der Ämter dachtet ihr da, Monsignore Menaris?“ Bei parteipolitischen Besprechungen war ihr immer ein wenig unwohl. Wenigstens sprach der Hesindediener einigermaßen offen. „Mein Vetter Ludovigo hat wohl nicht gewollt, dass wir dem Aurandis kampflos das Feld überlassen. Warum setzen wir nicht einfach für beide Felder einen Kandidaten unseres Lagers durch? Ihr seid doch ein guter Rhetoriker. Das wird sie überzeugen, wenn wir kompetente Leute vorschlagen!“ Isida vermeinte, eine kluge politische Bemerkung gemacht zu haben und blickte Tankred an.

Tankred Menaris

Der Consiliere Naclador nahm das Lob, das er in der Tat für ernstgemeint hielt, mit schmalem Lächeln zur Kenntnis und mahnte sich zur Nachsicht gegenüber der noch unerfahrenen Efferd-Geweihten: „In der Tat ist es nicht unmöglich, genügend Stimmen anzusammeln, um etwa ein Mitglied von Haus Carson als Constabler und einen di Matienna als Cancellario vorzuschlagen. Aber es wäre eben nicht mehr als das.“ Nun wurde er doch belehrend. „Ein Vorschlag. Sobald es dem findigen Yarbosco gelingt im Sinne seiner neuen Allianz auch nur einen ihm gefälligen Namen auf beide Listen zu bringen wird sein Freund Endor alle Möglichkeiten in der Hand haben.“ Er ging einige Schritte entlang des Gilborn-Standbildes. „Nein, auf diese Weise hätten wir wenig zu gewinnen und alles zu verlieren. Unsere Sorge muss es sein, dass auf einer der Kandidatenlisten kein einziger Kandidat der Signores Dorén oder Aurandis zu finden ist!“ Er unterbrach seine Darlegung und wartete auf das Verständnis seines Gegenübers.

Isida von Veliris-Balthâr

„Das scheint mir nicht einfach zu werden. Wer steht denn noch auf unserer Seite? Ich würde meinen, der finstere Prätor Boronir - obwohl der ja nun etwas unheimlich ist - und den guten Beleno Brahl können wir an unserer Seite wissen. Was ist mit dem Herrn von Lohenfels?" Hoffentlich würden ihre Ausführungen dem Magister gefallen. "Er ist zwar ein elender Sturkopf, aber er mag den alten Adel."

Tankred Menaris

Diesmal war das Lächeln des Hohen Lehrmeisters ehrlicher. Die junge Geweihte konnte sich einigermaßen rasch anpassen, das musste er ihr lassen. „Es ist wichtig, dass wir das rechte Amt wählen. Lohenfels ist kein Mann des Krieges, obwohl seine Reden kämpferisch erscheinen mögen, wenn er seinem ‚gerechten Zorn‘ Lauf lässt.“ Er schmunzelte flüchtig und blickte in Richtung der zertretenen Schlange. „Der Custos weiß aber, dass man den Krieg den Kriegern zu überlassen hat und – so meine ich – schert sich nicht sehr, welchen Stammbaum ein General mitbringt, solange derjenige, der ihm Befehle gibt, einigermaßen vertrauenswürdig ist.“ Ob der grimmige Praiosdan den zumindest hesindegläubigen Endor Dorén für vertrauenswürdig befand war indes eine andere Frage. „Ich würde vorschlagen, Arana von Shenilo für uns zu gewinnen, indem wir ihren Verwandten Orsino als Constabler vorschlagen. Und Praiosdan gewinnen wir, indem wir Rondrian Vistelli ins Gespräch bringen.“

Isida von Veliris-Balthâr

Die Rede des Menaris schien ihr vernünftig. Wie ein fröhlicher Bach im Frühling sprudelten nun ihre Gedanken aus ihr heraus. „Bliebe noch der dritte Kandidat für die Liste. Da könnten wir meinen Vetter Batiste vorschlagen, er ist ein großer Krieger, der sogar mit dem Comto Protector die Klingen gekreuzt hat. Wie wäre das? Oder Amaldo di Matienna, ein alter Kämpe? Oder einen rondrianischen Cordur? Oder...“ Nun war der Strom einstweilen versiegt.

Tankred Menaris

Der Menaris-Patriarch runzelte die Stirn. „Nicht so eifrig, Consiliera. Es ist wichtig, dass wir für einen der Kandidaten auch die Unterstützung des Consiliere Fuldigor gewinnen, dem wir dafür Unterstützung für einen Kandidaten seiner Wahl als Cancellario versprechen. Ich würde seinen Bruder Tsafried vorschlagen. Damit halten wir uns Yarbosco selbst vom Leibe, ohne dass es offenkundig wird.“ Er reihte im Geiste das Consilium Draconis und die mit ihm verbundenen Familien vor sich auf. „Ich denke, wir können in der Tat Euren Vetter Batiste vorschlagen, wiewohl ich annehme, dass Endor ihm kein Wohlwollen schenken wird.“ Er ging langsam in Richtung des Hauptsaales des Tempels, wo er schon vielerlei Gespräche vernahm.
„Am besten wird es sein, wenn ihr für Euren Vetter sprecht. Am ehesten werden Euch darin der Prätor und Tsatalente oder auch der Consiliere Teclador unterstützen. Jedoch muss einer unter diesen auch den Namen des Gardehauptmanns unterstützen. Weder mir, noch dem Consiliere Menacor wird man indes abkaufen, einen Praioten als Constabler vorzuschlagen. Ich werde deshalb für die nötigen Stimmen für Orsino Sorge tragen und vor allem Yarbosco Aurandis mein Angebot unterbreiten.“

Isida von Veliris-Balthâr

„Ähm... Ja, gut, das ist nachvollziehbar.“ Die Efferd-Geweihte überlegte einen Augenblick. Da fiel ihr auf, dass der Consiliere Naclador den Raum schon fast verlassen hatte. Nun, sie würde ihm folgen müssen. Er war ein kluger Mann, ein Mann mit Erfahrung in der Politik.
Aber, beschloss sie in diesem Moment, sie würde lernen, es ihm gleich zu tun. Vielleicht war die Politik doch kein so unentwirrbares Dickicht. „Nun denn, auf zum Sprung ins kalte Wasser!“ sprach sich die junge Frau Mut zu.

Tankred Menaris

Tankred näherte sich langsam dem in edle Stoffe gewandeten Yarbosco Aurandis, der sich noch im Gespräch mit einem der anderen Consiliere befand. Der Hohe Lehrmeister wartete eine Weile, während der er sich überlegte, wie er mit dem erfahrenen Politiker Yarbosco umgehen sollte. Als der Consiliere Fuldigor seinen Gesprächspartner verließ entschied er sich für ein für ihn eher ungewöhnliches Vorgehen.
„Consiliere Fuldigor, auf ein Wort.“ Er nickte seinem Gegenüber zu und machte einige Schritte in Richtung einer der Bänke, die im Predigtraum aufgestellt waren und ließ sich darauf nieder. Er wartete, bis Yarbosco sich zu ihm gesellt hatte. „Verzeiht mir, wenn ich uns beide nicht lange mit Plänkeleien aufhalte und direkt zur Sache komme.“ Er lächelte humorlos über die gerunzelte Stirn des Aurandis, der als versierter Wortfechter sicher eher ein kompliziert verklausuliertes Abtasten und Austauschen von Floskeln erwartet hatte. „Ich nehme an der designierte Gransignore hat Euch oder Eurem Haus einiges für Eure Unterstützung versprochen. Dennoch ist Euch klar, dass er in diesem Gremium keine echten Parteigänger hat, die Kamele sind hier anders aufgestellt.“ Er lachte kurz lautlos über seine Brettspiel-Metapher. Er zwang sich dabei nicht in Richtung Defranda Defrus‘ zu schauen. Seit man ihm gemeldet hatte, dass Defrandas alter Vertrauter Nestor Dorén angeblich wieder außerhalb der Burg Yaquirstein gesehen worden war – noch dazu im Garten der Villa Carus – dachte er über eine mögliche Verschiebung in der Loyalität des greisen Magus nach. „Warum verzichten wir darum nicht auf eine anstrengende und für beide Seiten risikoreiche Kampfkandidatur um die Magistratsämter“ – er führte beide Hände als Fäuste zusammen. „und teilen sie unter unser beider Verbündeten auf?“ Nun breitete er die Handflächen auf, als halte er Geschenke bereit.
"Ich kann Euch die Stimmen der Consilieri Aldinor, Menacor und meine eigene für einen Kandidaten Eurer Wahl für das Amt des Cancellario versprechen. Damit dürfte dieser sicher auf der Liste sein – und Endor damit alle Möglichkeiten haben, seine Unterstützer angemessen zu ‚entlohnen‘.“ Er wartete einen Augenblick und fuhr dann fort. „Dafür müsstet Ihr selbst nur dafür sorgen, dass Orsino Carson auf die Liste des Constablers gesetzt wird.“