Briefspiel:Der letzte Tag

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Stadt Sewamund transparent.png Briefspiel in Sewamund Herzogtum Grangor.png
Datiert auf: ab Ende 1045 BF Schauplatz: vor allem Stadt und Baronie Sewamund, darüber hinaus Phecadien und benachbarte Landstriche Entstehungszeitraum: ab Frühjahr 2023
Protagonisten: alle Sewamunder Familien, sowie diverse externe Machtgruppen Autoren/Beteiligte: Haus Amarinto.png Amarinto, Haus Tribec.png Tribec, Haus di Piastinza.png DiPiastinza, Familie Luntfeld.png Luntfeld, Familie della Carenio.png Carenio, Familie Degano.png Marakain, Familie van Kacheleen.png Kacheleen, Familie Vesselbek.png Vesselbek, Familie Cortesinio.png Cortesinio, Haus Carson.png OrsinoCarson, Haus della Pena jH.png Horasio, Haus ya Pirras.png VivionaYaPirras, Familie Gerber.png Gerberstädter, Haus ya Papilio.png Gishtan re Kust, Wappen Lucrann von Leihenhof.png Galebquell = Haus d Illumnesto.png Illumnesto
Zyklus: Übersicht · Präludium - 1045 BF · Der Eklat - Praios 1046 BF · Der Selziner Schwur - Rondra 1046 BF · Interludium - Efferd 1046 BF · Der Tag der Treue - 1. bis 15. Travia 1046 BF · Ein Sturm zieht auf - 16. bis 30. Travia 1046 BF

Ausgespielte Geschichten: Ruf nach Phecadien · Die Sewamunder Delegation in Shenilo · Quod est Demonstrandum · Sturm auf Amardûn · Reise in die Vergangenheit · I · II · III · IV · V · In den Kerkern von Amardûn · Das Treffen der Verschwörer · Ein Gespräch zur Rosenstunde · Sewamunder Delegation bei Irion von Streitebeck · Trauerfeier für Leonardo Cortesinio · Treffen bei Tovac · Reise ins Unbekannte · I · II · III · Packratten aus der Ponterra · I · II · III · IV · Gefährliche Worte · I · II · III · Efferds Zorn · Der Herzog des Westens · Der letzte Tag



26. Travia 1046 BF, Palazzo Amarinto in der Sewamunder Altstadt

Autoren: Amarinto, VivionaYaPirras


Zusammenfassung: Dareius Amarinto verbringt den letzten Tag vor der finalen Konfrontation mit Baron Irion von Streitebeck mit fieberhaften Planungen, Absprachen und der Inspektion der Truppen des Lilienrats und seiner Verbündeten. Er hat in den letzten Tagen kaum geschlafen und nur wenig gegessen. Seine Medica Orleane ya Pirras ist besorgt, muss er als Heerführer der Bundestruppen doch am folgenden Tag in seiner besten Verfassung sein. Sie will ihn daher zur Rede stellen.


Sorgt sich um Dareius - Orleane ya Pirras
Wirft alle bedenken über Bord - Dareius Amarinto

Der Abend war längst hereingebrochen, als Cavalliere Dareius Amarinto in sein Arbeitszimmer im Turm des Palazzo Amarinto zurückkehrte. Der Tag war voller fieberhafter Besprechungen, taktischer Planungen und aufwendiger Inspektionen der Truppen des Lilienrats und seiner Verbündeten gewesen. Die Verantwortung lastete schwer auf seinen Schultern, und er hatte die vergangenen Tage kaum Schlaf gefunden, während ihm das Essen meist wie eine lästige Pflicht erschienen war, die er vernachlässigte. Seine müden Augen waren von den Flammen des Kamins beleuchtet, als er sich über den Tisch beugte, auf dem eine ausgebreitete Karte der Gegend nördlich von sewamund lag.

Die schwere Tür des Arbeitszimmers öffnete sich knarrend, und Orleane ya Pirras trat ein. Die Medica, stets wachsam und besorgt um das Oberhaupt des Hauses Amarinto, hatte keine Ruhe gefunden, seit sie ihn in den letzten Tagen beobachtet hatte. Es war ihre Pflicht und ihr Versprechen, sicherzustellen, dass er in seiner besten Verfassung in die entscheidende Konfrontation gegen den Baron Irion von Streitebeck ziehen würde. Arion Amarinto, Dareius' Leibwächter, hatte sie ohne ein Wort passieren lassen, nachdem ihre Augen sich stumm verständigt hatten. Die Tür fiel leise hinter ihr ins Schloss.

Dareius hob nicht sofort den Kopf, als er die Schritte hinter sich hörte. Seine Finger glitten über die Linien der Karte, folgten den Kanälen und Höhenlinien, die am Tag darauf vielleicht über Leben und Tod entscheiden würden. Seine Schultern waren gestrafft, doch die Erschöpfung zeichnete sich in seiner Haltung ab. Der Raum, in dem er stand, war erfüllt vom schwachen Geruch des Öls der Rüstung, die auf einem Ständer neben dem Schreibtisch vorbereitet war: eine dunkle Plattenrüstung, mit feinen Gravuren und einem Visierhelm, der die Helmzier der Amarintos, ein Pfeilbündel, trug. Das Schwert Chu’la’thar ruhte friedlich neben dem Schild mit dem Wappen seines Hauses, so als würde es nur auf den Morgen warten, um seinen Durst nach Ruhm und Blut zu stillen.

Orleane ließ einen Moment verstreichen, während sie ihn beobachtete. Der Mann, der vor ihr stand, war ein Anführer, ein Krieger, der bereits viele Schlachten überlebt hatte, doch nun schien er fast schicksalsergeben unter der Last der Verantwortung. Sie räusperte sich schließlich leise, und Dareius drehte langsam den Kopf zu ihr. Sein Blick traf ihren, müde, aber unverkennbar entschlossen.

"Ihr müsst euch ausruhen, Cavalliere," begann Orleane sanft, aber mit Nachdruck. "Ihr habt in den letzten Tagen kaum geschlafen. Wenn ihr morgen das Heer des Lilienrats anführen sollt, dann braucht ihr Kraft."

Dareius richtete sich auf, als wolle er der Müdigkeit, die an ihm zerrte, trotzen. Ein schwaches, fast entschuldigendes Lächeln huschte über seine Lippen, während er die Hände auf die Tischkante legte. "Morgen, Orleane, liegt unser Schicksal in der Waagschale. Der Feind wird keine Gnade kennen, und jeder Fehler kann die Niederlage bedeuten. Wie kann ich da schlafen, wenn so vieles auf dem Spiel steht, so viele Leben von meinen Entscheidungen abhängen?"

Orleane trat näher an ihn heran, legte eine Hand auf seinen Unterarm. "Gerade weil so viel auf dem Spiel steht, müsst ihr euch erholen. Eure Männer und Frauen brauchen ihren Heerführer, in voller Stärke. Ihr habt genug getan für heute." Ihre Stimme klang fest, doch in ihren Augen lag auch eine Wärme, die zeigte, dass es ihr um mehr ging als nur seine Rolle als Heerführer.

Für einen Moment schien es, als würde Dareius widersprechen wollen, doch dann schloss er kurz die Augen, atmete tief durch und nickte schließlich. "Vielleicht hast Du recht," murmelte er, und seine Schultern senkten sich leicht, als gäbe er dem Gewicht nach, das auf ihm lastete. Morgen würde er der unnachgiebige Heerführer sein müssen, doch heute Abend war er einfach ein Mann, der die Last der Welt auf seinen Schultern trug.

Orleane hakte sich bei Dareius ein. Mit sanftem Druck führte sie ihn aus seinem Arbeitszimmer. "Ich habe Euch ein Bad herrichten lassen, Cavalliere." "Aber dies ist nicht der Weg zu meinen Gemächern.", fiel Dareius auf. "Das stimmt. Dort werdet Ihr nicht die Ruhe finden, die ihr benötigt. Alles dort erinnert Euch an den morgigen Tag und wird Euch belasten, deswegen bringe ich Euch zu mir." Dareius sah sie mit fragendem Blick an. "Kein aber, kommt..." Dareius war einfach zu erschöpft um weiter zu widersprechen, nickte und ließ Orleane gewähren. Mit angemessenem Abstand folgte ihnen Arion Amarino wortlos und angekommen bei Orleanes Gemächern, verschmolz er geradezu mit dem Gang, der dorthin führte.

In einem von Orleanes Nebenzimmern war ein Badezuber aufgebaut und mit erhitzten Wasser befüllt worden. Eine wohlige Wärme trat aus dem Zuber. In dem Dampf roch Dareius eine Mischung verschiedener Kräuter. "Diese Kräuter werden Euch helfen zur Ruhe zu kommen." Orleanes Stimme erklang hinter ihm. "Genießt das Bad und sagt Bescheid, wenn ihr fertig seid. Tücher zum Abtrocknen und ein Bademantel liegen hier für Euch bereit." Dareius hörte wie sich Schritte entfernten. "Warte Orleane.", sprach Dareius und wandte sich in ihre Richtung. Noch stand sie mit dem Rücken zu ihm, die Hand auf den Türgriff gelegt. Dann drehte sie sich zu ihm um. Da stand sie, schaute ihn mit einer Mischung aus Bedauern und Verständnis an. "Kann ich noch etwas für Euch tun Cavalliere." Er zögerte, unschlüssig, was er sagen sollte. "Wir können später in meinen Gemächern reden, aber nicht über das, was Euch die letzten Tage beschäftigt hat. Wascht dies von Euch ab. Reinigt Euch." Dann verließ sie den Raum und schloss die Tür hinter sich.

Dareius betrachtete den dampfenden Zuber einen Moment lang, dann begann er, sich langsam zu entkleiden. Die edlen Kleider, die er trug, legte er sorgfältig beiseite, bevor er in das wohlig warme Wasser glitt. Das Gefühl der Wärme, die sich um seinen erschöpften Körper legte, war beinahe überwältigend. Er atmete tief ein, ließ den Duft der Kräuter auf sich wirken und spürte, wie die Anspannung Stück für Stück von ihm abfiel.

Doch seine Gedanken ließen ihn nicht los. Während er im Wasser saß, fiel sein Blick auf eine alte Narbe an seinem linken Arm. Die Erinnerung an die Schlacht von Castarosa kehrte zurück, und er spürte, wie die Klinge Usvina Tribêc de Trebescos ihn dort getroffen hatte. Er erinnerte sich daran, wie er damals seine Großtante Phrenya d'Amarinto erschlug, als sie sich schützend vor ihre Geliebte Usvina geworfen hatte, bevor er den finalen Hieb platzieren konnte. Es war eine Tat, die er nie hatte vergessen können, eine Wunde in seinem Herzen, die nie wirklich geheilt war.

Und nun, am Vorabend der entscheidenden Konfrontation, wusste er, dass er Usvina wieder gegenübertreten würde. Die Visionen, die ihn in seinen Träumen verfolgt hatten, hatten ihm immer wieder gezeigt, dass sich der Kreis schließen würde. Usvina würde Rache nehmen, und er war sicher, dass sie ihn für seine Tat in Rondras Hallen schicken würde. Die Gewissheit, dass sein Schicksal bereits besiegelt war, legte sich wie ein dunkler Schatten über seinen Geist.

Er dachte darüber nach, wie wenig Zeit ihm noch blieb, und ein bitteres Lächeln erschien auf seinen Lippen. Es lohnte sich nicht mehr, sich Gedanken über die Zukunft zu machen, wenn das Ende bereits feststand. Er sollte den letzten Abend auskosten, sich von der Erschöpfung befreien, wenigstens für diesen Moment. Dareius schloss die Augen, ließ den Kopf zurücksinken und erlaubte sich, für einen kurzen Augenblick die Last der kommenden Schlacht zu vergessen. Die Wärme des Wassers umhüllte ihn, und er spürte, wie sich sein Atem beruhigte.

Orleane hatte sich bereits für leichtere Kleidung für die Nacht entschieden. Der weiche Stoff ihres Nachtkleides schmiegte sich an ihren Körper. Nachdem sie lange überlegte, was dem Cavalliere zu einem ruhigen Schlaf verhelfen konnte, stellte sie einige Räucherschalen auf und bestückte diese. Sie machte sich große Sorgen um Dareius, denn er war immer noch auf seinen Gedanken versteift, dass morgen sein letzter Tag anbrechen und er sterben würde. Auch wenn er dies ihr gegenüber nie mehr erwähnt hatte, konnte sie es in seinen Augen lesen. Sie dachte an den Tag zurück, als sie ihn deswegen in seinem Arbeitszimmer energisch zur Rede gestellt hatte. Dabei hatte sie sich von ihren Gefühlen überwältigten lassen. Sanft strich sie über ihre Lippen, als könnte sie noch die seinen spüren und lächelte. Im gleichen Moment schalt sie sich eine Närrin. Er war ihr Dienstherr und sie seine Dottora. Nicht mehr und nicht weniger.

Seine Eltern würden niemals einer Verbindung zwischen ihnen beiden zustimmen, war er doch zu Höherem bestimmt und auch dementsprechend umworben. Sie sollte sich von diesen Gedanken frei machen und begann ihr Bett herzurichten. Was er wohl zu dem Bild darüber an der Wand sagen würde? Das Geschenk ihres Vetters Niccolo aus ihrer Studienzeit. Als er sie gemalt hatte, wie Rahja sie schuf. Wie sie sich geziert hatte, auf diese Art und Weise zu posieren. Aber ihr Vetter nahm ihr jegliche Scham und so konnte dieses Kunstwerk entstehen. Sie sah auf ihren Rücken, auf dem sich ihre langen offenen Haare verteilt hatten. Den leichten Ansatz ihrer Brüste, die sie an die Lehne des Stuhls gedrückt hatte. Ihren linken Arm lasziv angehoben mit einem Apfel in der Hand und ihr Gesicht leicht dorthin gewandt. Wie unbekümmert und frei sie zu dieser Zeit war. Kurz wandte sie ihren Blick auf den Tisch, wo sie schon eine Flasche Wein sowie zwei Pokale bereitgestellt hatte. Alles wäre bereit und ob sie wollte oder nicht, spürte sie eine gewisse Anspannung. Sie begann die Kohle in den Schalen anzuzünden, als sie eine Bewegung hinter der Tür zu ihrem Schlafgemach vernahm.

Dareius Amarinto trug diese schwarze, seidene Nachtrobe, die er vor einigen Götterläufen während des Turniers in Belhanka von einem Brabaker Händler erstanden hatte. 'Einem Granden würdig' hatte er sie genannt und der Preis war wahrlich nicht klein gewesen. Aber seither wollte er sie nicht mehr missen, es war das wohl bequemste Kleidungsstück, das er besaß. Das Bad und die Ruhe hatten ihm gut getan und wenn er ehrlich zu sich selbst war, wusste er, dass er nun nichts mehr tun konnte. Die Vorbereitungen für den morgigen Tag waren abgeschlossen, er hatte nichts dem Zufall überlassen. Was er jedoch tun konnte, war, seinen Frieden mit der Welt zu machen und die verbleibende Zeit zu nutzen. Er schätzte Orleane ya Pirras, denn sie hatte ihn von Beginn an nicht als den berühmten Turnierstreiter, den Salonlöwen und Minnesänger und nicht einmal als Oberhaupt einer Patrizierfamilie gesehen. Sie hatte den Mann gesehen, der er hinter all diesen öffentlichen Rollen wirklich war. Er hatte den Eindruck, dass sie trotz der relativ kurzen Zeit mehr über ihn gelernt hatte, als viele, die er schon seit Ewigkeiten kannte. Außer seiner Mutter, seiner Schwester Cariana und seiner ersten großen Liebe Ursophyne de Maltris, war sie wohl die einzige, die ihm wirklich jemals nahe gekommen war.

Er lächelte zu sich selbst. Selbst in diesem Augenblick blieb er letztlich doch ein hoffnungsloser Romantiker, der alles in feine Worte kleiden wollte. Aber er musste an diesem letzten Tag wahrhaft ehrlich sein, zu sich selbst und Orleane: Er begehrte sie, nicht nur weil sie ihn besser verstand als die meisten anderen und ihn dies tief berührt hatte. Nein, er begehrte sie auch weil sie eine attraktive junge Frau war, eine letzte Eroberung, eine letzte Nacht der rahjaischen Genüsse...

Er straffte sich und öffnete die Türe zu Orleanes Schlafgemach und trat hindurch. Er sah sich um, sah den Wein, das Bett, Orleane in ihrem Nachtkleid. Dann erblickte er das erotische Gemälde, welches ganz offensichtlich Orleane selbst zeigte. Wortlos betrachtete er es einige Augenblicke lang. Alles schien sich zu fügen, als wäre es das einzig logische Resultat der Ereignisse. Er blickte zu Orleane und sagte schließlich trocken: "Diese Seite an dir kannte ich noch gar nicht, aber ich würde lügen, würde ich sagen, sie gefiele mir nicht." Er sah noch einmal zu dem Gemälde und nickte anerkennend. "Erzähl mir darüber, wie ist es entstanden?"

Während Dareius das Bild bewunderte, hatte Orleane bereits den Wein entkorkt und befüllte die Pokale. Sie drehte sich zu ihm und betrachtete ihn, nicht als Dienstherrn, als Cavalliere, sondern als Mann. Als begehrenswerten Mann. In seiner schwarzen Nachtrobe und den sich darunter abbildenden Körperformen wirkte er selbst wie aus einem Gemälde entsprungen. Langsam schritt sie auf ihn zu und errötete bei seinen Worten. Sie reichte ihm seinen Pokal. "Dieses Bild stammt aus meiner Zeit an der Universität von Methumis. Der Künstler ist mein Vetter Niccolo. Sein Vater bat mich ein Auge auf ihn zu haben, solange ich noch in Methumis verweilte. Dies habe ich gern getan und nahm meinen Vetter sozusagen an die Hand. Und dieses Bild war sein Dank dafür. Wie ihr seht, ist er künstlerisch sehr begabt und dieses Bild war sein erstes dieser Art. Zwischenzeitlich hat er die Tsa-Schule abgeschlossen und sogar die Kirche der Heiteren Göttin ist auf ihn aufmerksam geworden." Kurz hielt sie inne. "Es haben noch nicht viele Menschen gesehen. Mein Vetter als Künstler, ich als Modell, Corvona und nun ihr."

Dareius betrachtete weiter das Gemälde. Unabhängig vom Motiv, welches ohne Zweifel seine Fantasie anregte, war der Stil und die Ausführung von hoher Qualität. Orleanes Vetter war ein Künstler mit viel Potential. "Ich weiss die Ehre zu schätzen! Euer Vetter, hat er bereits eine Anstellung? Vielleicht ist es an der Zeit, dass ich..." Er zögerte. "...vielleicht ist es an der Zeit für das Haus Amarinto einen talentierten Maler in ihre Dienste zu nehmen? Was denkst du?" Er wandte sich zu ihr und nahm einen der Pokale aus ihrer Hand.

Natürlich fiel Orleane auf, dass er zuerst sich und dann erst das Haus Amarinto erwähnt hatte. Also war er immer noch nicht frei von diesen düsteren Gedanken. Sie nahm sich vor, dieses für den Rest des Abends zu ignorieren. "Nein, eine feste Anstellung hat er noch nicht und er ist auch auf der Suche nach einem Mäzen. Aber wenn ihr wirklich einen Künstler unter Eure Fittiche nehmen wollt, kann ich ihn gerne nach Sewamund einladen." Sie atmete tief ein und aus. "Wenn die Wogen sich geglättet haben und ihr Zeit dafür findet."

Dareius trank einen Schluck des Weines und nickte. "Ja, schickt ihm einen Brief und ladet ihn hierher ein. Mein Bruder Drugon ist ohnehin schon lange auf der Suche nach einem talentierten Porträtmaler."

Sie setzte den Pokal an und nippte kurz. Ihre Gedanken kreisten um den morgigen Tag. Um die Schlacht und deren Ausgang und auch, warum der Herzog es so weit hatte kommen lassen, anstelle einfach Recht zu sprechen. So schickte er viele unschuldige Menschen in einen unnötigen Tod. Und vielleicht auch ihn. Sie schaute Dareius an. Ob er auch solche Gedanken hegte? Ob er sich diese Fragen auch stellte? Aber nein, sie wollte ihn davon ablenken und nun verfiel sie selber in diese Melancholie. Sie stellte sich neben ihn und als ob sie Halt suchen würde, suchten ihre Finger die seinen, berührten sanft seine Hand, um diese dann zu ergreifen. Sie spürte den Schweiß auf seiner Handfläche und ein kurzes Zögern. "Dareius, nein verzeiht, Cavalliere...", aber sie brach ab. Wollte den Moment einfach nur genießen.

Er sagte nichts, sah sie einfach nur an. Sein Blick wanderte langsam über ihre schwarzen, zu einem kunstvollen Zopf geflochtenen Haare und blieb schließlich an ihren grünblauen Augen hängen. Die Melancholie wich langsam aus seinem Blick und dann umarmte er sie sanft. Eine Weile standen sie so da, eng aneinandergepresst. Seine rechte Hand streichelte sanft über ihren Rücken und ihre Haare, während seine Atmung immer ruhiger wurde. "Es tut gut hier zu sein...bei dir.", flüsterte er schließlich in ihr Ohr.

Sie schmiegte sich an ihn und erwiderte die Umarmung. In Verstand sagte, sie solle ihn loslassen, aber ihr Herz entgegnete, dass es mehr wolle. "Ich freue mich, wenn ich Euch helfen kann Cavalliere. Aber glaubt ihr, das es richtig ist, was wir hier machen? Ihr seid mein Dienstherr und ich glaube das, was wir hier tun, steht unter keinem guten Stern." Sie löste sich aus der Umarmung und schaute ihm tief in die blaugrauen Augen. "Aber ich wäre bereit es zu wagen, dem Verstand und der Vernunft zum Trotz. Aber ich bitte dich, lass es mich nicht bereuen." Und wieder, wie vor einigen Tagen im Arbeitszimmer, ergriff sie die Initiative, zog ihn zu sich und verschloss seine Lippen mit einem innigen Kuss.

Nach dem ersten innigen Kuss sah er ihr tief in die Augen. "Du bist von adliger Abkunft Orleane, ebenso wie ich, auch wenn ich dich in die Dienste meines Hauses nahm. Ich stehe im Rang nicht über dir, es steht dir frei mir zu widersprechen, mich einen Narren zu schelten oder meine Dienste zu verlassen, wie es dir beliebt. Wir treffen Entscheidungen und leben mit den Konsequenzen, ob sie nun gut sind oder schlecht." Diesmal zog er sie an sich und küsste sie. "Ich bin bereit, dieses Risiko einzugehen."

"Dann lass uns Titel und Abstammung vergessen. In diesem Moment sind nur wir beide wichtig. Die Vergangenheit und die Zukunft sind nicht von Belang. Das Hier und Jetzt ist das, worauf es ankommt. Und daher sage ich dir, dass ich Gefühle für dich hege. Mehr als mir lieb sind." Mit diesen Worten, öffnete sie geschickt ihr Nachthemd und es glitt zu Boden. Sie drehte sich um, so dass er auf ihren blanken Rücken sah. "Hilfst du mir mit den Haaren?", fragte sie herausfordernd.

Dareius trat hinter sie und begann langsam ihren kunstvollen Zopf zu öffnen. Dabei atmete er tief den wunderbaren Duft von Rosenblüten ein, den sie aufgetragen hatte. Er küsste sie dabei sanft auf den Nacken und die Schultern und spürte wie sich Gänsehaut über ihren Körper ausbreitete. Auch er ließ seine Nachtrobe zu Boden gleiten.

Zeitgleich im Palazzo Amarinto

Sucht ihren Schwertvater - Skrayana brai Rahjalina
Wacht über seinen Dienstherren - Arion Amarinto

Zeitgleich eilte Dareius' Knappin Skrayana durch die Flure des Palazzo Amarinto auf der Suche nach ihrem Schwertvater. Sie hatte seine Sporen polieren und den Wappenrock stärken lassen, alles sollte perfekt sein. Aber sie hatte ihn nirgends finden können. Dann sah sie Arion Amarinto, den furchteinflößenden Leibwächter ihres Herrn im Flur vor den Gemächern der Dottore ya Pirras lässig an die Wand gelehnt stehen. Er schnitt sich mit einem dünnen Stilett lässig feine Scheiben eines Apfels ab und legte sie sich genussvoll in den Mund.

Skrayana kam auf ihn zu und verneigte sich ehrerbietig. "Signor Arion, darf ich Euch fragen, wo Cavalliere Dareius weilt?" Der Angesprochene setzte seine Zwischenmahlzeit ungerührt fort. Mit einem leichten Nicken deutete er auf die Tür zu Signora Orleans Gemächern. Skrayana nickte. "Kann ich ihn sprechen?"

Der Leibwächter verzog seinen Mund zu einem subtil spöttischen Lächeln. "Der Cavalliere wird noch länger bei der Dottora weilen. Geh schlafen und sprich morgen früh mit ihm." Skrayana erschrak ein wenig. "Ist er krank, geht es ihm gut?"

Der sonst so emotionslose Leibwächter erlaubte sich einen ungewohnten 'Ausbruch von Emotionen' und schnaubte hörbar und ironisch lächelnd. "Keine Sorge, es könnte ihm kaum besser gehen."

Skrayana traf die Erkenntnis wie ein Blitz der Sturmherrin, ihre Augen weiteten sich und sie errötete leicht. "Oh...oh ja, ich verstehe." Dann wandte sie sich um und versuchte ein nervöses Kichern zu unterdrücken, während sie in Richtung ihres Zimmers ging.

Am Morgen danach

Der Morgengrauen brach gerade erst an, als Dareius die Augen öffnete. Das Licht, das durch die schweren Vorhänge drang, war weich und sanft, kündigte aber bereits den Beginn eines neuen Tages an. Es war der Tag der finalen Schlacht, der Tag, auf den alle Ereignisse der letzten Monde hinausgelaufen waren. Doch in diesem Moment war das Schlachtfeld weit weg, verdrängt von der Wärme, die ihn umgab. Orleane lag neben ihm, ihren Körper an seinen geschmiegt, und ihre ruhigen Atemzüge hallten leise in der stillen Kammer wider.

Dareius ließ seinen Blick über ihr schlafendes Gesicht gleiten, die sanften Linien ihres Profils, das weiche, goldene Licht, das ihre Haut berührte. Ihre Nähe brachte ihm eine Ruhe, die er lange nicht mehr empfunden hatte. Es war, als könnte in diesem Augenblick all das, was noch vor ihnen lag, keine Bedeutung haben. Sie sah aus wie eine Verkörperung des Friedens, etwas, das ihm in den letzten Monden unerreichbar erschienen war.

Sein Blick wanderte weiter durch den Raum, und schließlich blieb er an dem Aktporträt an der Wand hängen. Es zeigte Orleane, ihre Schönheit auf eine Weise eingefangen, die ihm fast den Atem genommen hatte, als er es am Abend zuvor zum ersten Mal betrachtete. Es war, als hätte ihr Vetter Niccolo nicht nur die äußere Schönheit, sondern auch ihre innere Stärke und Anmut eingefangen. Nun, da sie an seiner Seite lag, erinnerte ihn das Bild umso mehr daran, wie sehr er sie bewunderte - nicht nur als Medica, sondern auch als Frau, die ihm so nahe war, wie bislang nur sehr wenige zuvor.

Er ertappte sich bei dem Gedanken, dass er Gefühle für sie entwickelte. Es war ein ungewohntes Gefühl, eines, das er sich nicht hatte eingestehen wollen, doch nach der vergangenen Nacht konnte er es nicht länger ignorieren. Die Stunden, die sie miteinander verbracht hatten, waren ihm wie ein Geschenk erschienen - ein kostbarer Moment der Zärtlichkeit inmitten all der Härte und der Pflichten, die ihn umgaben. Orleane hatte ihm wahre Nähe gegeben, die er so lange entbehrt hatte, und nun, in der Stille des Morgens, spürte er, wie tief diese Empfindungen reichten.

Er atmete tief ein, versuchte, den Moment festzuhalten, bevor der Tag ihn wieder in Anspruch nehmen würde. Seine Hand glitt sanft über Orleanes Rücken, spürte die Wärme ihrer Haut, das sanfte Heben und Senken ihres Atems. Er wollte sie nicht wecken, wollte diesen Augenblick nicht zerstören. Doch er wusste, dass die Zeit gegen sie arbeitete. Die Schlacht würde in wenigen Stunden beginnen, und mit ihr würde er sich wieder in die Rolle des Heerführers begeben müssen, all die Gefühle, all die Zärtlichkeit verdrängen müssen, um der Anführer zu sein, den seine Frauen und Männer, seine Familie und nicht zuletzt Sewamund, brauchte.

Aber in diesem Moment, in der frühen Dämmerung, gehörte er nur Orleane. Er schloss die Augen und lehnte seine Stirn an ihre, lauschte ihrem Atem und erlaubte sich, noch ein paar Minuten länger bei ihr zu bleiben, bevor das Schicksal seinen Tribut fordern würde. Es mochte der Tag der finalen Schlacht sein, doch für einen kurzen Augenblick fühlte Dareius etwas, das er schon fast vergessen hatte - Hoffnung.

Als sie erwachte, sah sie das Gesicht von Dareius. Ein Lächeln umspielte seine Lippen und er wirkte entspannt, geradezu friedlich. Und doch wusste sie, dass dies nur noch einen kurzen Moment andauern wurde. Sie küsste ihn und erwiderte sein Lächeln. "Guten Morgen.", sagte sie, denn etwas Besseres fiel ihr nicht ein. Sanft strich sie ihm über das Gesicht. "Es wird Zeit, Liebster. Auch wenn ich mich nicht von dir trennen möchte und dich auf ewig in meinen Armen halten will." Dareius nickte nur, er sah ihr wehmütig in die Augen als ob er die letzten Momente ihrer Zweisamkeit krampfhaft festhalten wollte. Dann stand er langsam und widerwillig auf, nahm sich sein Nachtgewand, zog es an und schritt langsam auf die Tür zu. Er legte eine Hand auf die Klinke und drehte sich zu Orleane um.

Orleane hatte sich im Bett aufgerichtet und schaute ihn an. "Nimm meine Soldaten für deinen Schutz. Es sind nur vier, aber jeder einzelne Mann und jede Frau zählen." "Dein Vater hat sie zu deinem Schutz geschickt, zusammen mit Maga Tharinda." "Sie werden es wohl nicht wagen, das Lazarett anzugreifen. Und ich wäre dann beruhigter." Es wurde still zwischen den beiden.

Orleane stand auf, rannte auf Dareius zu und warf sich in seine Arme. "Halt mich noch einmal fest und dann geh. Man erwartet dich bestimmt schon. Und wenn alles vorbei ist, werde ich hier auf dich warten. Und dann gibst du mir das hier zurück." Sanft löste sie sich aus der Umarmung und ging zu einer Schatulle, welche auf einem Frisiertisch stand. Sie nahm etwas daraus in ihre Hand und ging zurück zu Dareius. Es war eine schön verzierte Haarspange, welche sie ihm in die Hand drückte. Kunstvoll war auf auf einer Platte das Sternbild der Balkenwaage stilisiert und jeder Stern war ein schwarzer Onyx. Sie schloss seine Hand darum. Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals und das Sprechen fiel ihr schwer. "Nun geh schon."

Er setzte kurz an etwas zu sagen, aber nickte nur und verließ das Zimmer und Orleane lehnte sich mit dem Rücken an die Tür. Sie lauschte den Schritten, die sich entfernten und erste Tränen rannen ihre Wangen hinab. "Bitte Gebieter der Nacht, seine Zeit darf noch nicht gekommen sein.", begann sie ein leises Gebet an den Herrn Boron.