Briefspiel:Reise ins Unbekannte (3)

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Stadt Sewamund klein.png Briefspiel in Sewamund Herzogtum Grangor.png
Datiert auf: ab Ende 1045 BF Schauplatz: vor allem Stadt und Baronie Sewamund, darüber hinaus Phecadien und benachbarte Landstriche Entstehungszeitraum: ab Frühjahr 2023
Protagonisten: alle Sewamunder Familien, sowie diverse externe Machtgruppen Autoren/Beteiligte: Haus Amarinto.png Amarinto, Haus Tribec.png Tribec, Haus di Piastinza.png DiPiastinza, Familie Luntfeld.png Luntfeld, Familie della Carenio.png Carenio, Familie Degano.png Marakain, Familie van Kacheleen.png Kacheleen, Familie Vesselbek.png Vesselbek, Familie Cortesinio.png Cortesinio, Haus Carson.png OrsinoCarson, Haus della Pena jH.png Horasio, Haus ya Pirras.png VivionaYaPirras
Zyklus: Übersicht · Präludium - 1045 BF · Der Eklat - Praios 1046 BF · Der Selziner Schwur - Rondra 1046 BF · Interludium - Efferd 1046 BF · Der Tag der Treue - Travia 1046 BF

Ausgespielte Geschichten: Ruf nach Phecadien · Die Sewamunder Delegation in Shenilo · In den Kerkern von Amardûn · Das Treffen der Verschwörer · Ein Gespräch zur Rosenstunde · Sewamunder Delegation bei Irion von Streitebeck · Trauerfeier für Leonardo Cortesinio · Treffen bei Tovac · Reise ins Unbekannte · I · II · III



Autoren: VivionaYaPirras, Amarinto


18. Travia 1046 BF, Palazzo Amarinto in Sewamund

Orleane ya Pirras sucht das Gespräch mit Dareius
Hat sein Schicksal akzeptiert: Dareius Amarinto

Dareius stand am nördlichen Fenster seines Arbeitszimmer und blickte auf die Stadt und den wolkenverhangenen Horizont. Regentropfen sammelten sich auf der Außenseite des Fensters und rannen in langen Fäden daran herab. Er war so in Gedanken versunken, dass er nicht bemerkt hatte, dass Orleane das Zimmer betreten hatte. Auf dem Arbeitstisch lag sein Schwert, die Zyklopenklinge Chu’la’thar, die sein Onkel Baron Alwîn di Bellafoldi einst von Amene-Horas als Geschenk erhalten hatte. Er hatte sie damals nach dem Schlachtentod Alwîns bei Castarosa vom Schlachtfeld geborgen und später von seiner Cousine, Alwîns Tochter, Baronin Oleana di Bellafoldi wiederum als Geschenk erhalten. Daneben lag ein Brief, den er begonnen hatte zu schreiben. Der Brief war an Dareius’ Schwester Cariana gerichtet und enthielt eine Liste von Besitztümern, die für sie bestimmt waren, darunter auch das kostbare Schwert.

Besorgt schaute Orleane auf den Rücken von Dareius. Sie hatte seinen Blick von gestern Nacht nicht vergessen. Die Entschlossenheit und Stärke, aber auch die felsenfeste Überzeugung, diese Schlacht nicht lebend zu überstehen. Natürlich war dies das große Ziel eines jeden Rondrianers, mit dem Schwert in der Hand zu sterben, aber wieso fühlte sich das bei ihm so falsch an? Vielleicht war seine Zeit noch nicht gekommen. Aber dies lag alleine im Willen des Dunklen Vaters.

Mit einem leisen Räuspern machte Orleane auf ihre Anwesenheit aufmerksam. Dareius schreckte aus seinen Gedanken auf. "Verzeiht, wenn ich Euch störe Cavalliere. Wir hatten noch keine Gelegenheit über die Geschehnisse von gestern Nacht zu sprechen. Euren Traum. Eure Erkenntnisse. Eure Gedanken."

Dareius wandte sich zu Orleane um. Sie sah dieselbe Entschlossenheit, grimmige Hingabe und Schicksalergebenheit in seinem Blick wie in der Nacht zuvor. "Nein, Ihr stört nicht. Im Gegenteil. Kommt..." Er bedeutete ihr, zu ihm zum Fenster zu kommen und so standen sie nebeneinander und blickten nach Norden. Dort wo die Regenwolken den Himmel in ein undurchsichtiges Grau tauchten, wo das Wasser des Siebenwindigen Meeres gegen die Deiche drängte, dort wo wahrscheinlich bald eine große Schlacht stattfinden würde.

Nach einer Weile, in der sie nur den Regen und die Bewegungen der Wolken beobachtet hatten sagte er schließlich: "Ihr wisst natürlich, was ich gesehen habe. Ich bin mir sehr sicher, dass wir den Feind besiegen werden. Aber wir werden einen hohen Preis dafür zahlen: Sewamund, die Menschen Sewakiens und Phecadiens, die hohen Familien der Stadt, meine eigene Familie und nicht zuletzt ich selbst. Ich bete zu den Göttern, dass es all diese Opfer wert sein wird. Ich bete, dass die Überlebenden auf diesen Opfern eine neue Zukunft aufbauen werden und ich bin bereit, meinen Beitrag dafür zu leisten. Wenn die Leuin mich zu sich holen will, dann bin ich bereit." Er holte etwas aus seiner Tasche hervor. Es war ein goldener Orden, der zwei gekreuzte Schwerter zeigte. Das Seidenband, an welchem er befestigt war, wies einige dunkelrote Flecken auf, vor langer Zeit getrocknetes Blut.

"Die Kaiser-Rauls-Schwerter, die höchste Auszeichnung des Neuen Reiches. Meine Großtante Phrenya erhielt sie für ihren Heldenmut in der Schlacht an der Trollpforte, wo sie mit Usvina Tribêc de Trebesco die Freiwilligen des Horasreichs anführte." Er seufzte leise. "Ich nahm sie, nachdem mein Schwert Phrenya bei Castarosa durchbohrt hatte. In meiner ersten Schlacht hatte ich meine eigene Großtante erschlagen, eine aventurische Heldin, eine Streiterin wider die Niederhöllen, eine Frau die nur das schützen wollte, was ihr am wichtigsten war...die Liebe ihres Lebens. Natürlich war es nicht meine Absicht, aber es musste wohl so kommen, es war Schicksal. Seit diesem Tag weiß ich, dass ich meinem Schicksal nicht entrinnen kann." Seine Faust ballte sich um die Auszeichnung. "Usvina wird mir in der Schlacht gegenüber treten, eine Frau die dem Dämonenmeister getrotzt und es überlebt hat. Die Zeit ist gekommen, dass sie endlich ihre Rache erhält und ich mein Schicksal einlöse." Er nahm Orleanes Hand und legte den Orden darauf, dann schloss er ihre Hand darum. "Ihr habt mir in der kurzen Zeit, die wir miteinander geteilt haben, einen großen Dienst erwiesen, Signora Orleane. Dank Euch sehe ich mein Schicksal klar und deutlich vor mir ausgebreitet. Nehmt dies als ein Zeichen meiner Wertschätzung, als ein Symbol dafür, dass die Götter unsere Wege leiten und als Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit." Er lächelte, zum ersten Mal seit langem schien er vollkommen in sich zu ruhen.

Zum ersten Mal erlebte der Krieger seine Medica sprachlos. Sie schaute eine Zeit lang auf ihre geschlossene Faust mit dem Orden darin. Dann hob sie ihren Kopf und blickte Dareius in die Augen. "Euch ist doch wohl im Klaren, dass ich dies nicht annehmen kann. Er ist einem Krieger oder einer Kriegerin würdig. Und er sollte auch im Besitz Eures Hauses bleiben. Ein Mitglied der Amarinto wurde damit ausgezeichnet und die Umstände, wie er in Euren Besitz gekommen ist, sind schon tragisch genug." Sie öffnete ihre Faust wieder, so dass der Orden auf der flachen Hand lag. "Ich beleidige Euch wahrscheinlich damit zutiefst, aber ich kann ihn nicht annehmen." Mit diesen Worten gab sie ihm den Orden wieder zurück. "Zürnt mir nicht, sondern versucht mich zu verstehen. Noch steht eine diplomatische Lösung im Raum. Und selbst wenn es zur Schlacht kommen sollte, habt ihr nicht auch in einem Eurer Träume von einer gleißenden Gestalt erzählt, die Euch gerettet hat. Und wer sagt denn, dass ihr überhaupt auf Usvina de Trebesco trefft? Vielleicht fällt sie vorher."

Mit jedem Wort wurde sie lauter und den letzten Satz schrie sie ihm fast entgegen. "Verdammt, hört auf so zu handeln, als sei Euer Tod beschlossene Sache. Das ist vielleicht Euer Wunsch, aber das heißt nicht, dass er sich auch erfüllen wird!" Orleane hielt inne. Sie hatte, während sie die letzten Worte gesprochen hatte, begonnen Dareius mit ihren beiden Fäusten auf die Brust zu schlagen. Dort verweilten sie jetzt auch. "Ich...ich...", stotterte sie. "Ich sollte besser gehen..."

Bevor sie den letzten Satz vollenden konnte, hatten sich Dareius' Arme um sie geschlossen und er zog sie sanft an sich. Einige Momente verharrten die beiden so eng umschlungen, während die Regentropfen gegen die Fensterscheibe klatschten. Orleanes schwarze Haare rochen nach ihrem bevorzugten Parfüm, ein Geruch der ihn an einen Rosengarten der Rahja-Kirche erinnerte. Sie hatte ihre Arme ebenso um seinen Oberkörper geschlungen und drückte ihn noch etwas fester an sich. Er war beileibe nicht nahe am Wasser gebaut, aber nun stiegen ihm die Tränen in die Augen, als er daran dachte, was er alles zurücklassen würde und wie wenig Zeit ihm noch blieb. Eine einzelne Träne lief seine Wange herunter und landete in Orleanes Haaren.

Sie genoss diese, für sie überraschende, Umarmung und machte sich zugleich Sorgen. Diese Art von Emotionen hatte sie in ihrer kurzen Dienstzeit noch nie bei ihm gesehen. Wie sehr mochte dies alles auf seinen Schultern lasten. Geboren als Krieger, seine Pflicht erfüllend und trotzdem das Gefühlzu haben, dass eigentlich ein anderer Weg für ihn vorgesehen war. Und jetzt auch noch diese Gedanken an einen baldigen Tod. Auf einmal spürte sie etwas in ihren Haaren. Sie löste die Umarmung etwas, um ihm ins Gesicht sehen zu können und sah eine Träne in einem Augenwinkel aufblitzen. Sanft strich sie mit ihrer Hand durch sein Gesicht.

"Schämt Euch nicht für Eure Gefühle. Lasst es raus. Den Druck, den Schmerz, die Angst."

"Was für ein Poet wäre ich, würde ich mich meiner Gefühle schämen." Er sah ihr lange in die grünblauen Augen, als ob er etwas darin suchen würde. Sie erwiderte seinen Blick, schloss und öffnete ihre Augen dann wieder und ihre Gesichter kamen einander näher. Sanft zog die kleinere Orleane ihn zu sich herunter, bis ihre Lippen einander berührten. Beide schlossen ihre Augen, der Moment schien unendlich, während sie durch diesen zärtlichen Kuss verbunden waren.

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sich ihre Lippen voneinander lösten. Still schauten sie sich an und ein Lächeln umspielte ihre Gesichter. Wieder zog sie ihn an sich, auf der Suche nach seinen Lippen. Diesmal intensiver, fordernder. Ihre Finger begannen seine Haare zu durchwühlen und seine Hände begannen ihren Rücken zu streicheln, als es auf einmal vehement an der Tür des Arbeitszimmers klopfte. Schnell lösten sich beide voneinander und begannen Kleidung und Haare zu richten.

Das Klopfen wurde lauter und dann vernahm man die Stimme von Praiodan ter Braken, dem Capitan der Sewakgarde. "Cavalliere Amarinto, ich muss Euch sprechen. Es ist dringend." In der Stimme des Veteranen lag militärische Verbindlichkeit.

Kommt gerade ungelegen: Praiodan ter Braken
Sorgt für Aufruhr in Sewamund: Thisdan von Sibur

Dareius blickte ein letztes Mal zu Orleane, sah ihr in die Augen und seufzte. "Kommt herein." Er wandte seinen Kopf in Richtung der Tür und straffte seine Haltung.

Capitan ter Braken stürmte mit soldatischem Schritt in den Raum, blickte zu Dareius. Dann zu Orleane. Dann salutierte er. "Entschuldigt Cavalliere, ich dachte ihr wärt alleine." Er schlug die Hacken seiner Stiefel zusammen und nickte Orleane zackig zu. "Signora ya Pirras". Dareius nickte. "Capitan...schon gut. Was habt ihr für Neuigkeiten?" Dareius war wieder vollends Offizier, fokussiert und sachlich.

"Dieser Nandus-Priester aus Nevorten hat auf der Piazza Nodo gepredigt und das Volk gegen Baron Streitebeck aufgewiegelt. Signor Ricardo della Carenio und Signora Dimiona della Carenio konnten ihn jedoch vorläufig davon abhalten, noch weiter zu predigen. Admiralissima Charine ya Corrada ist jedoch außer sich über diese ‘Undankbarkeit’ und verlangt Euch sofort persönlich zu sprechen, da Eure Mutter Baronessa di Bellafoldi den Nevortenern wohl Zugeständnisse versprochen hatte für ihre Unterstützung unserer Sache. Sie wartet in der Burg auf Euch."

Dareius nickte. "Ich verstehe, geht schon einmal voraus und versucht sie bei Laune zu halten. Ich komme so schnell es geht." Der Capitan nickte, verbeugte sich vor Orleane "Signora.", machte auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Raum.

Dareius sah herüber zu Orleane, die noch immer am Fenster stand, dort wo er sie vor wenigen Minuten noch in seinen Armen gehalten hatte. "Ich...muss gehen." Er zögerte jedoch.

"Natürlich, geht ruhig. Ihr werdet gebraucht." Orleane lächelte. Langsam schritt sie in seine Richtung und als beide auf einer Höhe waren, schaute sie ihm noch einmal tief in die Augen. "Vielleicht sollten wir das Gespräch über den Poeten, der in Euch steckt, zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal aufnehmen." Eine leichte Röte zeigte sich in ihrem Gesicht und sie verließ das Zimmer.

Dareius sah ihr hinterher, während er sein Schwert vom Tisch nahm und gürtete. Orleane war so gänzlich anders als all jene Ritterinnen, Kriegerinnen und Soldatinnen, mit denen er in seinem Leben gefochten, gefeiert und die um ihn oder er um sie geworben hatten. Sie forderte ihn ebenso heraus, aber auf eine Weise die ihm bislang völlig unbekannt gewesen war. Eine zynische Wendung des Schicksals, dass er sie erst jetzt getroffen hatte, so kurz bevor alles zu Ende gehen würde...