Briefspiel:Packratten aus der Ponterra (1)

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Auge-grau.png

Stadt Sewamund klein.png Briefspiel in Sewamund Herzogtum Grangor.png
Datiert auf: ab Ende 1045 BF Schauplatz: vor allem Stadt und Baronie Sewamund, darüber hinaus Phecadien und benachbarte Landstriche Entstehungszeitraum: ab Frühjahr 2023
Protagonisten: alle Sewamunder Familien, sowie diverse externe Machtgruppen Autoren/Beteiligte: Haus Amarinto.png Amarinto, Haus Tribec.png Tribec, Haus di Piastinza.png DiPiastinza, Familie Luntfeld.png Luntfeld, Familie della Carenio.png Carenio, Familie Degano.png Marakain, Familie van Kacheleen.png Kacheleen, Familie Vesselbek.png Vesselbek, Familie Cortesinio.png Cortesinio, Haus Carson.png OrsinoCarson, Haus della Pena jH.png Horasio, Haus ya Pirras.png VivionaYaPirras, Familie Gerber.png Gerberstädter, Haus ya Papilio.png Gishtan re Kust, Wappen Lucrann von Leihenhof.png Galebquell
Zyklus: Übersicht · Präludium - 1045 BF · Der Eklat - Praios 1046 BF · Der Selziner Schwur - Rondra 1046 BF · Interludium - Efferd 1046 BF · Der Tag der Treue - 1. bis 15. Travia 1046 BF · Ein Sturm zieht auf - 16. bis 30. Travia 1046 BF

Ausgespielte Geschichten: Ruf nach Phecadien · Die Sewamunder Delegation in Shenilo · Quod est Demonstrandum · Sturm auf Amardûn · Reise in die Vergangenheit · I · II · III · IV · In den Kerkern von Amardûn · Das Treffen der Verschwörer · Ein Gespräch zur Rosenstunde · Sewamunder Delegation bei Irion von Streitebeck · Trauerfeier für Leonardo Cortesinio · Treffen bei Tovac · Reise ins Unbekannte · I · II · III · Packratten aus der Ponterra · I · II · III · IV · Gefährliche Worte · I · II · III



Autoren: Gishtan re Kust, Carenio


13. Travia 1046 BF, Landgut Villago bei Ruthor


Die Hausherrin auf dem Gut Villago: Daria della Carenio
Darias Sohn: Leonello della Carenio

Packen

Daria della Carenio begutachtete noch einmal die Fracht, die sie und ihr Sohn Leonello auf den einfachen Transportwagen gepackt hatten. Die Gutsherrin nickte: "So ist es gut. Es ist wichtig, dass die zerbrechlichen Güter gut gepolstert und verstaut sind, damit sie nicht hin und her rollen können." Leonello, der gerade mal 20 Winter zählte, schob den Wagen zunächst wieder in die Remise. Er würde das Zugpferd erst einspannen, wenn der Sheniloer Wagen kam. "Ja, ja, Mutter! Ich fahre nicht das erste Mal unsere Güter", erwiderte der junge Mann mit dem braunen Haarschopf, der ihm immer ein wenig wild vom Kopf abstand. Die füllige Damosella zog indigniert die Augenbrauen zusammen: "Das mag wohl sein, Leonello, aber es ist eine besondere Fahrt dieses Mal und das weißt du."

Neben Kisten mit Obst und Gemüse hatte das Gefährt auch einige tönerne Transportgefäße mit Obstwein und Hochprozentigem geladen. Dazu Honig und Walnussöl von den gutseigenen Bäumen. Die Tongefäße hatte Daria in Handtücher wickeln und zwischen Stoffballen und Säcke mit Mehl, getrockneten Bohnen und Linsen packen lassen. Je weniger Platz zwischen den Behältnissen blieb, desto sicherer überstanden sie auch die Fahrt über womöglich holprige Wege.

Als Daria von der schlechten Versorgungslage der Sewamunder Bevölkerung erfahren hatte, die durch die fast vollständige Umzingelung und Belagerung der Hafenstadt entstanden war, fasste sie sogleich den Plan, ihre Familie dort zu unterstützen. Zunächst waren es nur Gerüchte reisender Händler gewesen, doch dann kam ein Brief ihres Bruders Ricardo, der Daria direkt um Hilfe bat. Er schilderte die Situation in der Stadt, die prekäre Lage für Stadtbewohner wie auch die Flüchtlinge aus dem zerstörten Dorf Amarinto im Umland Sewamunds, die Hab und Gut verloren hatten. Ricardo hatte seine Beziehungen zum Haus ya Papilio im Umland Shenilos spielen lassen und Unterstützung erhalten. Gemeinsam wollte man einen kleinen Wagenzug nach Sewamund führen. Nun warteten sie auf die Sheniloer. Ricardos Position als Justiziar in Sewamund machte es ihm unmöglich, selbst das Unternehmen anzuführen, also schickte er ihr den Neffen Grangorion, der mit Leonello gemeinsam die Lebensmittel nach Sewamund bringen würde.

Ein junger, eifriger Ritter: Grangorion della Carenio

Dieser preschte wenig später mit seinem Warunker auf den Vorplatz des Landgutes. Seit seiner Schwertleite vor zwei Götterläufen suchte er seinen Platz im Leben. Der einstige Knappe von Merkan von Farsid hatte sich beim Ritterturnier von Mortêc gezeigt und erste Turniererfahrungen gesammelt. Vor den Augen seines Schwertvaters erreichte er im Tjost das Viertelfinale und musste sich erst im Handwaffenkampf Haline Broccia geschlagen geben. Im Schildstechen und und dem Buhurt hingegen erreichte er nur die zweite Runde. Nun bot die schwierige Situation rund um die Streitigkeiten der Stadt Sewamund mit Baron Irion von Streitebeck endlich eine Möglichkeit, dass Grangorion seine Fähigkeiten unter Beweis stellen konnte. Entsprechend motiviert übernahm er von seinem Onkel Ricardo die Aufgabe eine für die hungernde Stadtbevölkerung wichtige Lebensmittellieferung mit dem Schwertarm zu begleiten.

Planen

"Ein Wagen und ein Reiter vorweg", meldete der Stallknecht Dalek der Damosella. Daria, Leonello und Grangorion traten kurz darauf auf den Hof, auf welchen das Gespann zurollte. Auf einen Wink der Damosella öffneten Bedienstete ein Scheunentor, in das der Wagen der Papilios fahren sollte, um während der Verweilzeit möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen. Das Fahrzeug erreichte die Einfahrt und nun hatten die Carenios freien Blick auf die Neuankömmlinge. Es waren zwei, ein Reiter und eine Kutscherin. Die Frau war auf den ersten Blick als Bedienstete zu erkennen: Grobe Kleidung, rötlich-grauer Zopf unter dem Schlapphut, Anfang 50, ein schicksalsergebener, säuerlicher Blick. Ihr rechtes Augenlid hing, was ihr eine schläfrige Miene verlieh. Doch die Zügel der vier mächtigen Zugpferde, die den schweren, dreiachsigen Wagen mühelos bewegten, hielt sie fest und sicher mit einer Hand, als sie das Gefährt bremste. Der Mann im Sattel war in seinen 30ern, gut genährt und kräftig. Als er in den Hof ritt und die Dreiergruppe erblickte, zog er grinsend seinen breitkrempigen Lederhut vom Kopf, enthüllte lockiges, längeres, schwarzbraunes Haar und grüßte übertrieben respektvoll. Selbst vom Pferderücken aus deutete er eine Verbeugung an. Mühelos sprang er aus dem Sattel und ging den Carenios entgegen. Seine Reiterstiefel waren ebenso wie sein blaues Lederwams nebst Hose von der Reise verstaubt. An seiner linken Hüfte trug er einen Rapier, so selbstverständlich als sei dieser festgewachsen. Mit leichtem Schritt trat er vor die Wartenden und grüßte nochmals: "Kor und Rahja mit Euch, Verehrteste", sagte er, ganz auf Daria konzentriert. "Ich bin Alecor ya Papilio." Er strich sich durch den gepflegten Kusliker Bart. "Ich und die getreue Rauris", mit einer Geste schloss er die reglos auf dem Kutschbock Wartende ein, "sind gesandt, dem hungernden Sewamund Hülfe zu bringen."

Während Leonello den Reiter mit einem Stirnrunzeln begrüßte, schmunzelte Daria und machte eine einladende Geste. "Mein Name ist Daria della Carenio. Den Gruß der Liebholden erwidere ich gern, verehrter Alecor ya Papilio, den Mitleidlosen möchte ich auf meinem Grund nicht unbedingt begrüßen. Ich entbiete Euch den Gruß der Heiligen Mutter und heiße Euch und Rauris auf Gut Villago willkommen! Darf ich Euch meinen Sohn Leonello und meinen Neffen Grangorion vorstellen? Leonello wird unseren Wagen fahren und Grangorion soll Euch sichern. Wie ich sehe, seid Ihr selbst bewaffnet, aber ein Schwertarm kann sicherlich nicht schaden."

Der Neuankömmling zog die Lederhandschuhe von den Fingern und steckte sie hinter den breiten Waffengürtel. Dann trat er vor und schüttelte dem jungen Leonello kräftig die Hand: "Angenehm. Ich hielt Euch erst für den jüngeren Bruder Eurer Mutter. Und Euch kann ich eine Sorge nehmen", grüßte er mit einer rondrianischen Faust am Herzen Grangorion: "Falls Gesindel - gleich welcher Art - die Wagen durchsuchen oder konfiszieren wöllte, so könntet Ihr um meine Sicherheit unbesorgt sein." Des jungen Grangorions Miene blieb unbewegt, aber dass ihm der ältere, wohl erfahrenere Fechter Autorität bei der Sicherung ihres Unternehmens zubilligte, hob seine Stimmung.

Geschmeichelt von Alecors indirektem Kompliment schenkte Daria dem Sheniloer einen Augenaufschlag: "Vielleicht mag Rauris Euer Gefährt vorübergehend in die dortige Remise bringen? Dann können wir uns ob des nicht ungefährlichen Unterfangens noch genauer besprechen, werter Alecor? Wir haben eine kleine Erfrischung im Patio aufgetragen. Bei einer kleinen Stärkung lässt es sich besser konspirativ beraten." Daria zwinkerte dem attraktiven Mann verschwörerisch zu, machte eine einladende Handbewegung und schritt auf das Hauptgebäude des Landgutes zu. Grangorion trat an Alecors Seite, während Leonello hinter den beiden Bewaffneten ging.

Bei der Erwähnung der Erfrischung leuchteten die Augen des Manns auf: "Einen guten Schluck und ein Häppchen könnte ich nach dem langen Ritt vertragen, fürwahr." Er gab der Wagenlenkerin einen Wink und folgte Daria, wobei er den gröbsten Staub aus seinem Gewand klopfte. Hinter seinem Rücken rollte Rauris mit den Augen, was nur Leonello bemerkte, setzte aber doch mit einem Schnalzen die vier Teshkaler Pferde und damit den KKK-Wagen in Bewegung.

Sie schritten durch die Eingangstür und einen langen, schlichten Gang entlang. Eine weitere Tür brachte sie in den Hof des Gutes, der von dem Hauptgebäude und zwei niedrigeren Flügeln gebildet wurde. Beiden Flügeln ging ein Loggiengang voran. Der rechte stand gerade im Licht der Praiosscheibe. Dorthin führte Daria den Gast. In der äußersten Ecken befand sich eine Sitzgruppe mit Korbstühlen und kleinen Tischchen auf denen Krüge mit Obstsäften, Karaffen mit Wasser und Platten mit Äpfeln, Birnen, Käse, Scheiben von Hartwurst und Schinken. Die Gutsherrin bot Alecor einen der Korbsessel an. Daria nahm ihm gegenüber Platz und wies auch Leonello und Grangorion einen Stuhl zu. "Bedient Euch, werter Alecor ya Papilio! Hattet ihr ein gute Anreise? Und bringt Ihr noch wichtige Informationen für mich mit?"

Ohne Zögern oder auf Bedienstete zu warten schnallte ya Papilio seinen Rapier ab und nahm sich selbst ein Schneidebrettchen, auf das er etwas von allen Speisen häufte. Er setzte sich gegenüber der Gastgeberin, stellte das Brett ab und wartete gerade lange genug, bis sie ihm ein aufmunterndes Nicken gezeigt hatte, ehe er ein bereitliegendes Messer ergriff und begann, Obst, Käse, Wurst und Brot in mundgerechte Häppchen zu zerkleinern. Bevor er mit der offensichtlich sehr willkommenen Stärkung begann, bewegte er sich zu einer Antwort auf Darias Fragen: "Die Strecke von Montalto bis Arinken war geradezu vergnüglich ruhig. Nimmt man das gelegentliche Seufzen und Ächzen meiner Begleiterin aus: Man sollte meinen, dass die kürzere Strecke durch den Arinkelwald in Rauris’ Sinne gewesen wäre, aber sie abergläubte über Hexen, die in Satara leben sollen, und Räuber im Wald. Ich hab keine gesehen. Waren wohl weise genug, sich zu verbergen, sonst hätte ich sie mit meinen Freunden Klinge und Balestrina bekannt gemacht."

Er kaute leidenschaftlich auf einem Brotkanten, auf den er Käse- und Schinkenstücke gestapelt hatte. Dann fuhr er fort: "Auf dem Banquirstieg bis Ruthor wurd’s dann beschaulicher. Viel Verkehr in beide Richtungen, aber es gibt ja keine Zollstationen, sodass uns niemand behelligte. Wie’s hier in der Umgebung aussieht, wisst Ihr besser als ich." Plötzlich schlug Alecor sich vor die Stirn und zog eine bauchige Flasche mit Schnappverschluss aus seinem Wams und stellte sie zwischen Daria und sich: "Keine Sorge, auf dem Wagen hat es noch mehr davon. Aber wo wir so nett beisammen sitzen, sollten wir doch mit einem Badilak Dunkel anstoßen. Auch die jungen Herren", lud er Leonello und Grangorion ein.

Aufmerksam und interessiert lauschten Daria, Leonello und Grangorion den Ausführungen Alecors. Dem angebotenen Dunkelbier sprachen alle drei zu und stießen mit dem Gast auf ein gutes Gelingen der Mission Lebensmittel für Sewamund an. Daria begann schließlich, Alecor mit den Informationen zu versorgen, die sie erhalten hatte: "Von der Region um Ruthor weiß ich nur das, was Ihr auch gerade berichtetet - dass die Verbindung von Shenilo über Arinken und Ruthor die einzige noch gangbare Verbindung nach Sewamund ist. Grangorion ist heute erst aus Sewamund hierher geritten. Er hat auch Kunde von der Belagerung mitgebracht. Erzähl unserem Freund davon!" Grangorion genoss es, dass alle Blicke auf ihn gerichtet waren. Er begann mit einem Räuspern. "Die Truppen des Barons haben ein zentrales Feldlager errichtet. Sie nahmen die Feste Amardûn und befestigen nun das Dorf Amarinto sowie die Weiler Kosgarten und Mabêc. Mit anderen Worten kontrollieren sie alle Wege aus Sewamund nach Norden und Nordosten. Jeglicher Landhandel durch die Baronie Sewamund nach Sewamund wird entweder unterbunden oder umgeleitet. Waren an oder von aufständischen Sewamunder Handelshäusern werden beschlagnahmt oder zurückgesandt. So sieht die Lage für uns aus." Der junge Esquirio machte eine Pause, um die Wirkung seiner Worte am Gesichtsausdruck des ya Papilio zu erforschen.

Alecor wirkte davon unbeeindruckt, kaute wacker weiter, schluckte und antwortete erst dann, nach seinen vorherigen Ausschweifungen geradezu knapp: "Eine Anmerkung und dann Fragen. Ich weiß nicht, weshalb der Zugang von Süden her noch gangbar ist. Ihr könnt mir das bestimmt erläutern. Falls der Baron und seine Leute - das sind doch diejenigen, gegen die wir was haben, nicht? - den Süden ohne triftigen Grund offen lassen, könnte das auch eine List sein. Meine Fragen: Wird Eure Familie als aufständisch wahrgenommen? Seid ihr ein Handelshaus? Wie seid Ihr in dem Konflikt positioniert? Vor wem müsst ihr auf der Hut sein und weshalb? Ich bin kein Politiker, nur ein braver Schwertgeselle, aber ich sollte dennoch wissen, worum und wogegen ich die Klinge ziehen sollte."

Daria versuchte sich die Fragen des Esquirio zu merken. Sie schätze es sehr, dass er sich einen genauen Eindruck der Situation machen wollte. "Nun"', begann sie. "Ich vermute, dass sich der Baron, der sich gegen die Stadt Sewamund stellt, aus dem Norden der Stadt näherte und deshalb noch nicht alle Zugänge nach Sewamund kontrolliert. Aber mit Sicherheit wird er versuchen, diese Lücke zu schließen. Ob es eine List sein könnte?" Die Gutsbesitzerin dachte scharf nach. "Zuzutrauen ist Irion von Streitebeck alles..." "Die della Carenios sind sehr neutral. Sie haben sich lange aus dem Streit herausgehalten, auch weil sie erst seit dem Thronfolgekrieg Sewamunder sind. Unsere Familie stammt ja ursprünglich aus Veliris. Sewamund hat unserer Familie Zuflucht gewährt und meine Verwandten haben es geschafft, sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Sie sind hauptsächlich in der Verwaltung tätig, aber haben auch ein kleines Kontor in Sewamund für landwirtschaftliche Güter aus Phecadien. Ich beliefere dieses genauso wie einige große Landgüter, zu denen die della Carenios seit jeher gute Kontakte haben. Soweit ich von meinem Bruder Ricardo weiß, hat sich unsere Familie, nach einigem Zögern, unter der Führung unseres Familienoberhauptes Dimiona della Carenio, die einen Sitz im Lilienrat innehat, gegen den Baron gestellt. Ihr Name steht mit einigen anderen 'Verschwörern' des Lilienrates unter einem Beschluss, der den Baron als Stadtoberhaupt absetzen und seine privilegierte Position im Lillienrat beschneiden will. Es scheint, als ob Irion von Streitebeck neben den eigenen Truppen, mit denen er gegen Sewamund zieht, auch diverse Söldnereinheiten rekrutiert hat. Vor diesen müssen wir uns in Acht nehmen."

Alecor nickte als Zeichen, dass er diese Neuigkeiten verstand, ließ jedoch mit seinem Mienenspiel nicht erahnen, wie er sie bewertete. Die Papilios, wusste Daria, galten als große, weitverzweigte Sippschaft, die selten Fehde oder Hader gegen andere führte. Indes hatte Ricardo ihr Alecor als zwar umgänglichen, gleichwohl aber durchaus streitbaren Zeitgenossen angekündigt. Wo abseits seiner Familie seine Loyalitäten lagen, wenn überhaupt, war schwer zu erahnen.

Grangorion wollte noch die vielen unbestätigten Gerüchte weitergeben, die ihm auf den Straßen Sewamunds und bei seinem kurzen Aufenthalt in Selzin zugetragen worden waren: "Das Neueste, was ich erfahren habe, ist, dass die Hafenstädte der Septimana ein starkes Entsatzheer aufgestellt haben. Es gibt verschiedene Gerüchte, wo sie sich befinden. Die einen behaupten, sie sammelten sich oberhalb von Grangor oder aber im Phecanowald. Wieder andere wollen sie in den Goldfelsen gesehen haben. Wichtig für uns ist das noch nicht, denke ich. Eine Menge unbestätigter Gerüchte."

Alecor runzelte die Stirne und leerte seinen kleinen Bierhumpen vollends, ehe er nachhakte: "Ist dieses Entsatzheer auf Eurer Seite - und damit auch meiner? Immer gut, Gegner und Freunde auseinanderhalten zu können."

Grangorion nickte. "Ja, dieses Entsatzheer soll uns zur Hilfe kommen. Ich fürchte jedoch auch, dass die Gegenseite auch noch weitere Kämpfer, vermutlich Söldnereinheiten, zusammenziehen wird. Ich hoffe, wir werden keine böse Überraschung erleben auf unserer Mission."

Alecor nahm sich eine Serviette, tupfte sich den Mund ab und klopfte sich mit genießerischer Miene auf den Bauch: "Traviaseidank. Jetzt bin ich wieder bei Kräften. Könntet Ihr bitte veranlassen, dass auch meine wackere, wenn auch stets mürrische Wagenlenkerin eine Stärkung gereicht bekommt?", bat er seine Gastgeberin. Dann ließ er den Blick von ihr zu ihren beiden männlichen Verwandten schweifen: "Gut, gut...eins vor allen anderen Überlegungen vorweg: nach außen hin muss unser kleiner Wagenzug eine Unternehmung des Hauses ya Papilio sein. Das heißt: alles an Euch, Eurem Wagen, Euren Pferden und all Eurer Wappnung auf della Carenio verweisen könnte, muss hier bleiben und durch harmlose Entsprechungen ersetzt werden. Ihr braucht unverfängliche Namen und wenn möglich Belege dieser erdachten Persönlichkeiten. Nicht zuletzt benötigen wir einen vorgeblichen Adressaten, einen Empfänger all der guten Sachen, die auf den beiden Wagen in die Stadt gebracht werden. Dieser Name muss bekannt genug sein, um auch Schutz vor gierigen Söldnerfingern zu bieten, zugleich aber möglichst wenig mit dem virulenten Konflikt haben, deswegen wir in die Stadt wollen. Ideal wäre ein Umschlagshändler, bei dem glaubhaft ist, dass er die Waren auf dem Seeweg weiterschaffen würde." Er lehnte sich zurück, zupfte seine Bartspitzen zurecht und folgte aufmerksam den Vorschlägen seiner Begleiter.

Daria nickte: "Unser einfacher Pferdewagen ist ohnehin nicht kenntlich. Einzig Grangorion trägt natürlich das Familienwappen auf seinem Mantel und den Satteldecken seines Pferdes. Vielleicht können wir ihm etwas Unverfänglicheres zum Anziehen geben...von dir, Leonello!" Der Angesprochene begehrte auf: "Meine Sachen passen Grangorion doch gar nicht! Ich bin ja deutlich größer!" Daria betrachtete die beiden jungen Männer abschätzend. "Naja, da ist was Wahres dran. Vielleicht geben wir dir etwas von unserem Gutsverwalter Madarando. Der sollte ungefähr deine Maße haben, Grangorion." Der Esquirio aus Sewamund verzog das Gesicht. Grangorion war als arrogant und jähzornig bekannt. "Ich dachte, ich soll die Aktion als Schwertarm begleiten. Wie soll ich das tun, wenn ich meine Rüstung und meinen Rapier nicht tragen soll?" Der beleidigte Unterton ließ darauf schließen, dass er nicht eben begeistert von dem Vorschlag war.

Alecor ya Papilio nickte beschwichtigend: "Auf das Rapier solltet Ihr nicht verzichten. Aber eine offen ersichtliche Rüstung zieht unweigerlich Aufmerksamkeit auf sich und lässt mögliche Gegner eher auf der Hut sein. Besitzt Ihr vielleicht eine Wappnung, die nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen ist?" Wie beiläufig strich er über sein Lederwams.

Grangorion blickte an sich herunter. Er war stolz auf seine schöne Rüstung. Schließlich war er noch nicht lange Esquirio und trug die Standeszeichen des Ritters mit dem entsprechenden Selbstbewusstsein. "Nun", stammelte er unsicher, "natürlich hätte ich einen Lederkürass, doch den habe ich Zuhause, in Sewamund gelassen. Daria, hättest du etwas Passendes?"

Die Tante lächelte. "Nun, nichts, was deiner Rüstung in Eleganz und Wehrhaftigkeit nahekäme, aber ich denke, es ist noch ein Lederkürass meines Gemahls da, aus seiner Jugendzeit. Der könnte dir passen." Daria gab Leonello einen Wink, das gewünschte Stück zu holen. Wenig später erschien dieser mit einem speckigen, zerkratzten und teilweise abgewetzten Lederbrustharnisch in der einen und zwei Lederarmschienen in der anderen Hand. Der Brustharnisch war etwas zu groß, wie Grangorion gleich mit Kennerblick feststellte. Die Mimik des Esquirio spiegelte eine Mischung aus Groll und Verachtung. "Das kann nicht euer Ernst sein! Ich soll so ein verschlissenes Ding anziehen? Da kann ich doch gleich nackt kämpfen! Der wird wohl kaum die Waffe eines Söldners abhalten! Soll ich so leichtfertig mein Leben aufs Spiel setzen, Tante? Davon war keine Rede. Es hieß, ich solle als euer Schwertarm dienen bei dieser Geheimaktion, nicht als todgeweihter Gladiator." Grangorion hatte sich in Rage geredet. Die Wut sprach aus seinen braunen Augen.

Daria legte ihrem heißblütigen, jungen Verwandten die Hand auf die Schulter. "Aber nicht doch, Grangorion. Beruhige dich! Wie du so richtig gesagt hast, handelt es sich um eine Geheimaktion. Ein solch edler Kürass, wie du ihn trägst, macht es unmöglich, deinen Stand zu verheimlichen. Du tust gut daran, dich einfach und unauffällig zu kleiden, gerade wenn du kein Risiko eingehen willst. Und ja, wir brauchen deinen Schwertarm! Ich habe deshalb Ricardo gebeten, dich zu schicken. Er versprach mir, dass es keinen Besseren für diese Aufgabe gäbe." Wie geschickt die Gutsherrin ihre Worte gewählt hatte, erkannte man wenig später. Wortlos, aber ganz offensichtlich überzeugt von der Wichtigkeit seiner Aufgabe, legte Grangorion seine Rüstung ab, ließ sich in den Lederharnisch helfen und legte die Armschienen an.

"Ihr nehmt die Sache wirklich ernst", meinte der Gast aus der Ponterra wohlwollend und stand auf, um selbst den richtigen Sitz der Rüstungsteile in Augenschein zu nehmen. "Wenn Ihr jetzt noch ein wenig die Schultern hängen lasst, Eurem Gegenüber auf die Füße blickt statt ins Gesicht, dann hättet Ihr beste Einstellungsaussichten als bewaffneter Begleiter einer Fuhre meines Hauses", sagte er schmunzelnd. Bevor der jüngere Mann das als Herabsetzung wahrnehmen und aufbrausen konnte, deutete Alecor einen Salut an: "Was ob Eures Standes unter Eurer Würde wäre. Und in dieser Rüstung wird kein Unbeteiligter daran zweifeln, dem wir auf dem Weg begegnen, dass Ihr den Befehl über unseren kleinen Wagenzug habt." Grangorion hob selbstbewusst das Kinn ein Stück, nahm diese implizite Anerkennung als rondrianischer Führer der Unternehmung aber sichtlich gerne an.

Im weiteren Verlauf berieten die vier gemeinsam darüber, welche Namen Leonello und Grangorion sich für das Unternehmen zulegen sollten. Wie Daria erwartet hatte, gab es auch hier Unstimmigkeiten. Eine Weile ließ die Gutsherrin die beiden jungen Männer gewähren, doch als die Diskussion in Streit auszuarten schien, sprach sie ein Machtwort: "Schluss jetzt ihr beiden Streithähne! Ihr seid Carolus und Grifone! Ich will keine Widerworte mehr hören!" "Und nun, werter Alecor, müssen wir uns noch darüber Gedanken machen, wen wir als Adressaten für unsere Warenlieferung angeben könnten. Ein Umschlagshändler ist, denke, ich nicht ideal, da ja die Gegenseite jeglichen Handel über den Seeweg unterbunden und verboten hat. Vielleicht könnten wir den Gemahl meiner Verwandten Reana della Carenio, Gerodan Vistelli, als Empfänger nehmen. Er ist in dem Streit zwischen Baron und Stadt nicht groß in Erscheinung getreten, hat sich zu keiner von beiden Seiten bekannt. Was haltet Ihr von dieser Idee?"

Gerodan Vistelli schien ihm nichts zu sagen, vermutete die Hausherrin. Zumindest glitt kein Erkennen über sein Gesicht. Alecor hatte wohl mit den politischen und merkantilen Belangen seines Hauses wenig zu tun. Wie um Darias Vermutung ihre Vermutung zu bestätigen, zuckte er mit den Schultern und lächelte wohlwollend: "Ich vertraue Euch da zur Gänze, Verehrte. Wenn Ihr sagt, Meister Gerodan ist der richtige Anlaufpunkt, dann wird er das wohl sein. Ich schlage vor, wir gehen später gemeinsam in die Scheune und betrachten, welche Waren geladen sind, überlegen sodann, warum Herr Vistelli diese haben wollen würde. Die Geschichte muss stimmen - zumindest für bezahlte Aufpasser, sollten wir denen unterwegs begegnen."

Alecors Vertrauen ehrte Daria. Sie fand es allerdings auch wichtig, dass man die Vorbereitungen auf das Genaueste durchging und überprüfte. Ein kleiner Fehler konnte tödliche Folgen haben. Das hatte Grangorion schon richtig erkannt, als er seine Sicherheit anmahnte.

Der Fechter aus dem Hause ya Papilio schien das gemeinsame Vorhaben als nicht so gefährlich wahrzunehmen wie sie selbst. Oder er war so an die Gefahr gewöhnt, dass die Aussicht ihn nicht aus der Ruhe brachte, sich durch eine eventuelle Begegnung mit Söldnern des Barons winden zu müssen.

Alecor wirkte in jedem Fall damit einverstanden, Gerodan Vistelli als Zielperson in Sewamund anzugeben und anzustreben. Doch er machte sich Gedanken über den Weg dorthin: "Ehe wir in der Scheune sichten, was wir alles mit in die Stadt transportieren, was wir in den Wagen verstecken und was besser hierlassen, sollten wir noch über die Route bis nach Sewamund sprechen", schlug er vor. Er entfaltete eine grobe, handgezeichnete Karte der Region und legte sie auf das Tischchen, von dem eine Bedienstete gerade Geschirr und Krüge geräumt hatte.

Gemeinsam beugten sich die della Carenios mit über die ausgebreitete Karte. "Wir sind hier bei Ruthor", hielt Alecor überflüssigerweise fest. "Der nächste Wegpunkt ist in jedem Fall Selzin, das wir schon morgen Abend, also am 14. Travia erreichen können. Die Silem-Horas-Straße sollte bis dorthin sicher sein und genug Verkehr führen, sodass wir nicht groß auffallen, falls wir uns richtig anstellen. Dann aber stellt sich aus meiner Sicht eine Frage, die Ihr im Gegensatz zu mir eher beantworten könnt, wir indes erst verbindlich direkt vor Ort entscheiden dürfen: 'Überqueren wir die bewachte Brücke über den Sewak?'"?

Daria sah Alecor mit einem vertrauensvollen Blick in die Augen. "Ich wüsste keine andere Möglichkeit. So viel ich weiß, werden die Wasserwege und Häfen bereits von den Truppen das Baron kontrolliert. Nicht wahr, Grangorion?" Der Angesprochene nickte. "Es mussten schon einige Lastkähne umdrehen, weil man ihnen den Zugang zur Stadt verwehrt hat. Die Waren wurden dann auf Wagen umgeladen und eben über die Brücke und das Tor im Süden in die Stadt geschafft. Ich denke, das ist unsere einzige Möglichkeit." "Lieber Alecor,", schloss die Gutsbesitzerin an. "ich bin überzeugt, dass Ihr eine Lösung finden werdet, wenn Ihr erst vor Ort seid. Meine Familie in der Stadt kann eventuell dann auch weiterhelfen. Grangorion oder Leonello könnten sie benachrichtigen, wenn ihr erst vor Sewamund seid. Ich vertraue Euch voll und ganz!"

Falls ihm die treuherzig vorgetragene Vertrauensbekundung schmeichelte, zeigte Alecor das nicht. Vielmehr faltete er die Karte wieder zusammen, steckte sie in einer der Taschen an seinem Gewand zurück und klatschte mit den Händen auf die Oberschenkel: "Geritzt", verfiel er ins Atak. "Dann wollen wir mal nach den Wagen schauen und überlegen, ob es an deren Beladung noch etwas zu ergänzen oder verändern gült."