Briefspiel:Königsturnier/Stichkämpfe
Stichkämpfe
Erlan Sirensteen vs. Leonora di Salsavûr
Eine Handvoll Stichkämpfe waren an diesem Abend des 22. Rahja noch abzuhalten, bevor endlich das Teilnehmerfeld für die Finalforderungen vollständig wäre. Unter diesen machten der Comto Erlan Sirensteen und die Kirschritterin, Leonora di Salsavûr, den Anfang – die beiden waren einander zuvor nicht begegnet, so weit wir wissen und nickten einander daher respektvoll, aber knapp zu, bevor sie auch ihren Unterstützern, der Turniermarschallin und dem Erzherrscher zugrüßten, der sich die Stichkämpfe allesamt nicht entgehen lassen wollte.
Den ersten Anritt führten beide Ritter meisterlich, die Pferde eilten in gerade Bahn aufeinander zu, die Lanzen senkten sich im rechten Augenblick – und beide trafen!
Die Lanze des Comto war hoch gezielt, drückte mir all ihrer Wucht den zu spät gehobenen Wolfsschild Leonoras nach unten und traf sie zwischen Brustmitte und Helmaufsatz. Auch Signora di Salsavûr traf, prellte dem Comto ihrerseits den Schild aus der Hand und bescherte ihm sicher ein Andenken in Form eines schmerzenden Gelenks. Aber der Stoß des Comto war so fest, dass die Ritterin vom Pferd geschleudert wurde. So endete der erste Stichkampf rascher, als viele erwartet hatten – und mit dem Sieg des Comto. Damit ist, nach dem jungen Baron Folnor von Aldyra, ein weiterer Streiter, der sich anschickt, Streiter des Horas zu werden, ein Verwandter des Comto Protector.
Sieg Erlans im ersten Lanzengang durch schweren Treffer, schwerer Treffer gegen ihn
Tilfur von Eskenderun vs. Gerio von Eberwildern
Ein heißer Nachmittag neigte sich bereits dem Ende zu, als das nächste Paar Turnierstreiter die Bahn betrat – und welch ungleiches Paar war das!
Tilfur von Eskenderun, der mit einer tauschierten Rüstung und hübschem Pfauenschmuck am Helm auftrat, hatte sich bisher gut geschlagen. Immerhin drei Siege waren ihm auf seiner Turnierbahn gelungen, darunter auch ein knapper Sieg im Fußkampf gegen den jungen Darian von Tuffino, doch nun musste er im Stichkampf seine Chance auf die Runde der letzten 32 wahren. Und dort wartete sein bisher stärkster Gegner auf ihn. Auf der anderen Seite der Turnierbahn ritt nun der Alte Eber, Gerio von Eberwildern, auf den Sand. Der Nasenhelm des nostrischen Woiwoden – ein schier unaussprechlicher Rang, der dem eines Cavalliere ähneln soll – war mit großen, stählernen Hauern geschmückt. In seinem schweren, alten Schuppenpanzer und mit dem Eber auf dem Schild wirkte der Woiwode so stattlich, dass viele den Grafen von Thegûn bereits im ersten Lanzengang niedergetrampelt sahen. Auch hörte man, dass der Alte Eber das große Turnier von Nostria unter König Kasimir IV. mehrfach gewonnen habe, während der junge Tilfur zwar in Neetha eine herausragende Ausbildung genossen haben mag, sich aber bis vor kurzem nicht als großer Turnierrecke hervorgetan hatte.
Beim ersten Anritt streiften die Lanzen beider Streiter die Schilde ihrer Gegner. Beim zweiten zerbrach die Lanze des Woiwoden Gerio am Wappenschild des Grafen, der eine tiefe Schramme davontrug. Tilfur von Eskenderun seinerseits, vom Treffer des Nostrianers ins Schwanken gebracht, vermochte die Lanze nicht ins Ziel zu leiten.
Der dritte Anritt brachte die Entscheidung: Die Krönig von Tilfurs Lanze traf den Schild, Holz brach und Stahl schepperte, dann rutschte die Lanze am Schild entlang und traf den rüstigen Nostrianer auf der Brust. Der Alte Eber schwankte ein wenig, sein mächtiger Oberkörper neigte sich, und schließlich fiel er seitlich aus dem Sattel. Der Graf riss seinen Helm in die Luft, die Pfauenfeder flatterte im schwachen Sommerwind – Tilfur von Eskenderun hatte gesiegt, der Nostrier hob zwar schwerfällig den Kopf, musste aber von gleich zwei Helfern aufgerichtet werden.
Sieg Tilfurs im dritten Lanzengang durch schweren Treffer, zuvor schwerer Treffer gegen ihn
Usvina Cordur vs. Usvina Tribêc
Zwei Turnierstreiterinnen würden nunmehr um den vorletzten Platz in den Finalrunden in die Schranken reiten: Ob der Vornamen der beiden Tjosterinnen aus Kernlanden und Septimana hatten einige Zuschauer das Duell bereits als die Battaglia delle Usvine bezeichnet, die Schlacht der Usvinen. Aber Usvina Cordur und Usvina Tribêc de Trebesco hatten durchaus noch mehr gemein, als nur den Vornamen: Beide hatten im Sattel und auf dem Schlachtfeld Karriere gemacht, die Geharnischte Löwin war bei den Sheniloer Drachenreitern aufgestiegen und Veteranin der Fehden der Ponterra – ihre Widersacherin, die Eiserne Jungfrau, war gar gegen Dämonenhorden gezogen und in der Horasgarde bis zur Colonellya aufgestiegen. Der Vorteil der Erfahrung mochte demnach aufseiten der Tribêc liegen, die zudem auch ausgeruhter in den Stichkampf ritt: Während die Eiserne Jungfrau ihren letzten Gegner, den güldenen Cavalliere Ralman di Côntris ohne viel Federlesens aus dem Sattel gehoben hatte, war Leutnanta Cordur niemand anderem als dem Vater der Eisernen Jungfrau, Pulpio Tribêc derart traktiert worden, dass man schon an ihrer Körperhaltung eine gewisse Erschöpfung ablesen konnte.
Drüben, am anderen Ende der Bahn, wartete die Eiserne Jungfrau, mit den grün-schwarzen Federn am Topfhelm. Beide hoben einander grüßend die Hand entgegen, dann nahmen sie die Lanzen und senkten die Köpfe. Erfahrene Tjoster können erklären, dass die Entscheidung über Sieg oder Niederlage oftmals in der Wahl des rechten Augenblicks liegt: Die Lanze trifft, der Gegner fliegt, oder man verfehlt und wird selbst getroffen – ein Sandkorn rieselt schneller, als der rechte Augenblick zum Stoß verweilt.
Im ersten Anritt konnte keiner einen entscheidenden Vorteil erringen: Die Geharnischte Löwin stieß mit seiner Lanze zu früh zu, streifte die gepanzerte Hüfte der Anderen und warf diese zur Seite. Doch es gelang der Colonellya, sich im Sattel zu halten – auch wenn ihre Seite jetzt schmerzen mochte und sich dort am morgen unweigerlich ein spanngroßer Bluterguss zeigen würde. Die Lanze der Signora Tribêc kam dagegen zu spät nach oben und ging ins Leere – am Ende der Bahn wendeten beide ihr Pferd und stellten sich neu auf.
Der zweite Anritt war ausgeglichener: Beide Lanzen trafen, die der Signora de Trebesco blieb an der Spitze abgeknickt zurück, als die Leutnanta im letzten Augenblick den Löwenschild zwischen ihre Seite und den Rennspieß ihrer Gegnerin bringen konnte. Die ganz in Blau bepinselte Turnierlanze der Cordur war jedoch einmal mehr ins Ziel gegangen, traf diesmal auf der Höhe des Schulterplattes und fast schien man das Stöhnen der Getroffenen über dem Kreischen von Stahl zu hören. Aber die Eiserne Jungfrau machte ihrem Namen alle Ehre und viel trotz dieses heftigen Treffers immer noch nicht, sondern galoppierte zu ihrem Turnierzelt zurück.
Hinter ihren Topfhelmen war naturgemäß kein Minenspiel zu erkennen, dennoch war das Gebahren der Shenilerin entschlossen, wie ihre aufrechte Körperhaltung und die Kraft verrieten, mit der sie die Lanze hielt. Im Vorfeld hatte man gemunkelt, Usvina Cordur habe Kunde aus der Heimat erhalten – ob diese aber ihre Entschlossenheit gefördert oder gefordert hatte, konnten wir bis dahin nicht erfahren. Die Eiserne Jungfrau warf dagegen ihre Lanze zu Boden, ohne auf den Knappen zu warten, und riss diesem eine neue aus der Hand.
Dieses Mal traf die Eiserne Jungfrau: Das Krönchen ihrer Turnierlanze schrammte über den Löwenschild, glitt ab und traf die Cordur seitlich am Helm. Die Leutnanta selbst hielt ihre Lanze abgeknickt nach außen und traf so ebenfalls den Schild der Signora Tribêc. Die geharnischte Löwin galoppierte, benommen den Kopf schüttelnd, zum Ende der Bahn – und wandte sich erst um, als der Jubel bereits aufgebrandet war: Ihr eigener Stoß hatte die Eiserne Jungfrau in solchem Winkel getroffen, dass die Wucht deren Arm hinab, den Schild hinfort und den Körper aus dem Sattel geschlagen hatte – die Geharnischte Löwin hatte die Schlacht der Usvinen für sich entschieden und einen Platz unter den letzten 32 Tjostern erstritten!
Sieg der Cordur im dritten Lanzengang nach zwei schweren Treffern gegen die Tribêc in den vorigen Lanzengängen
Rimon Sâlingor vs. Tarquinio della Pena
Im letzten Stichkampf kam es zu der bisher womöglich brisantesten Begegnung des Turniers: Graf Rimon Sâlingor, der sich mit drei Siegen bereits einigen Ruhm verdienen konnte, musste ausgerechnet gegen Tarquinio della Pena auf die Turnierbahn reiten – den Bruder jenes Mannes – und Feindes – den er vor etwas mehr als Jahresfrist verurteilt und blutig hingerichtet hatte!
Die Spannung auf dem zentralen Turnierplatz war fast mit Händen zu greifen, als sich die beiden Kontrahenten auf ihren schweren Streitrössern gegenübersaßen, die Lanzen bereits zur Tjoste gesenkt.
Dennoch war es fast totenstill auf dem Schwerterfeld – dann ertönte ein Horn eines Persevanten und die Stille verwandelte sich binnen eines Herzschlags in einen Tumult. Sporen wurden den Schlachtrössern in die Flanken gedrückt, Hunderte von Stimmen fingen an zu schreien und die Hufe der Pferde wirbelten den Sand in die Luft. Die Rufe nach „Rimon, Rimon!“, die dem jungen Grafen von Bomed galten, waren deutlich in der Überzahl, war er doch mit einem kleinen Gefolge angereist, zu dem sich überdies noch mancher septimanische Streiter und Knappe gesellte.
Das Gejohle wurde immer lauter, ohne aber das Hufgetrappel ganz zu übertonen und schließlich beendete der laute Zusammenstoß die Geräusche für einen kurzen Augenblick, bevor Jubel und Trauerrufe wieder einsetzten: Die Spitze der Grafenlanze küsste den geflügelten Löwen Tarquinios und zog eine tiefe Furche durch dessen silberne Flügel – doch die Lanze des della Pena traf Rimon Sâlingor mitten auf der Brust: Der graue Hengst mit blauer Schabracke und silbernem Zaumzeug bäumte sich unter der Wucht des Aufpralls auf und Graf Rimon wurde aus den Steigbügeln gerissen und fiel scheppernd zu Boden. Alles blickte nun Signore Tarquinio zu – würde er den wehrlosen Gegner attackieren, der seinen Bruder in umstrittenen Verfahren hatte hinrichten lassen?
Edelmunde von Streitebeck, die ebenfalls zum Gefolge des Grafen zählte, kletterte gar über die Tribüne und wäre auf die Bahn geeilt, wenn sich nicht bald gezeigt hätte, dass kein Grund zur Sorge bestand. Tarquinio warf keinen Blick mehr zurück auf seinen gefallenen Gegner, sondern verschwand sogleich in seinem Turnierzelt. Offenbar hegte er keinen Gedanken an Rache – und warum auch sollte ihm der Einzug in die Finalrunden nicht ausreichen, zählte er so doch zu den 32 besten Streitern des Reiches!
Sieg Tarquinios im ersten Lanzengang durch schweren Treffer