Briefspiel:Kaiserjagd/Eine Schuld wird beglichen V
Eine Schuld wird beglichen V – Kilian und die Knappinnen
29. Hesinde 1046 BF (Tag der Volkskunst), Vinsalt
Autoren: Amarinto, Gerberstädter, VivionaYaPirras
Kilian hatte sich indes zu seiner etwas abseits stehenden Nichte und ihrer hünenhaften Mitknappin begeben.
„Signora Skrayana!“
Er nickte der Blonden freundlich zu und wandte dann seinen Blick zu der Verwandten.
„Methelessa, welch Freude dich wiederzusehen! Du bist ja kaum wiederzuerkennen, breite Schultern, kräftige Oberarme und ich würde sagen, du bist auch ein gutes Stück gewachsen.“
Anerkennend lächelte er die junge Frau an.
Methelessa verneigte sich: „Ich danke euch für die freundlichen Worte, Onkel Kilian. Das Waffentraining und regelmäßige Ringkämpfe mit Skrayana zeigen langsam ihre Wirkung!“
Die Hünin beugte sich zu Methelessa und sagte ihr leise etwas auf einer für den Alchemisten unverständlichen Sprache.
Die Schwarzhaarige lachte, boxte der Anderen gegen den Arm und erwiderte etwas in demselben Kauderwelsch, ehe sie sich wieder ihrem Onkel zuwandte: „Sie neckt mich immer damit, dass ich zu dünn sei.“
Noch immer etwas irritiert durch die fremdartige Sprache, blickte Kilian zwischen den beiden jungen Damen hin und her und meinte dann mit ernster Miene: „Naja, im direkten Vergleich muss ich der Signora Skrayana zustimmen!“
Skrayana machte eine Geste, die wohl so viel bedeutete wie ‚Da hörst du es!‘, während von Methelessa nur ein „Pfff“ zu vernehmen war, dann lachten die drei.
„Magst du mir erzählen, wie es dazu gekommen ist!“
Vorsichtig strich Kilian über die Narbe auf der Wange seiner Nichte.
„Später Onkel! Ist keine Geschichte für einen so schönen Moment wie diesen!“
Sie lächelte ihren Großonkel an und erhob ihr Glas. „Auf eure einzigartige Farbkreation, Onkel!“
Kilian erhob ebenfalls sein Glas und sie stießen an. Der Alchemist verneigte sich, bevor er dann einen großen Schluck nahm: „Danke! Aber dein Großvater hatte auch seinen Anteil daran.“
Die Augen der jungen Frau begannen zu leuchten.
„Großvater Barundo hat euch unterstützt? Oh, ich kann es vor meinem geistigen Auge sehen, mein Großvater und mein Onkel im Labor über ihren Experimenten brütend, und zuhause Großmutter Methelessa, die es irgendwann tief in der Nacht aufgibt auf die Heimkehr ihres Mannes zu warten, das Buch beiseite legt, die Kerzen löscht und ins Bett geht.“
Sie lächelte fröhlich bei diesem Bild und Kilian sah für einen kleinen Augenblick wieder das kleine verträumte Mädchen Methelessa.
„Ja, ich fürchte, wir haben so einige Male den Unmut deiner Großmutter auf uns gezogen. Aber ich glaube, dein Großvater hat jetzt genügend Zeit, Wiedergutmachung zu betreiben.“
Skeptisch wog Methelessa ihr Haupt: „Lieber Onkel, ich fürchte, ihr habt die Geliebte meines Großvaters vergessen!“
Kilian blickte seine Nichte fassungslos an und auch Skrayanas Blick war nun aufmerksam.
Die Schwarzhaarige amüsierte sich köstlich über das bass erstaunte Gesicht ihres Onkels, es kostete sie einige Mühe nicht laut los zu lachen: “Bitte verzeiht den derben Scherz, ich spreche von der Praiostagsschule in Heilig Brigon über den Wogen, wenn Großvater nicht bei euch im Labor ist, ist er für gewöhnlich im Hesinde-Tempel und vergisst dann dort die Zeit. Ich bewundere Großmutter sehr, sie führt den Hausstand, kümmert sich sogar um die Finanzen, weil ihr Gemahl entweder in der Praiostagsschule unterrichtet, ausgewählten Schülern zusätzlichen Unterricht erteilt, als Akoluth ständig mit Angelegenheiten des Hesinde-Tempels befasst ist, und wenn er mal nicht in Heilig Brigon weilt, ist er ganz sicher im Palazzo Pellioni oder in der Gerberstadt in einem der Alchemielabore!”
Sie schüttelte verständnislos ihren Kopf.
Kilian hatte sich inzwischen wieder gefangen, mit strenger Miene und erhobenem Zeigefinger schalt er Methelessa: “Solche Frechheiten solltest du inzwischen abgelegt haben!” Mit einem Augenzwinkern fügte er hinzu: “Solche Rede gehört ganz sicher nicht zu dem, was dich Signora Cariana Amarinto lehrt!” Er nickte: “Aber es stimmt schon, der gute Magister Barundo Barini verbringt nicht gerade viel Zeit mit seiner Familie!” Er bemerkte dieses besondere Funkeln in Methelessas Augen und erhob warnend den Zeigefinger: “Methelessa Gerber, ich weiß genau was du gerade denkst und ich würde dir raten, es bei Gedanken zu belassen! Ich werde wohl ein ernstes Wort mit deiner Schwertmutter sprechen müssen, mir scheint du bist nicht recht ausgelastet!”
Es war klar, dass seine Nichte auf den allgemein bekannten Umstand abspielen wollte, dass er selbst bestenfalls zum Schlafen sein Labor verließ und sich gerne vor gesellschaftlichen Anlässen aller Art drückte. Dabei spielte es keine Rolle, ob es um eine Einladung zu einer Feierlichkeit eines Patrizierhauses ging oder eine Feier im Familienkreis. Er freute sich, dass die junge Frau noch immer den Schalk im Nacken hatte, aber inzwischen nicht mehr aussprach, was ihr gerade durch den Kopf ging.
Mit sehr überzeugender Unschuldsmiene entgegnete die Knappin: “Ich kann mir gar nicht vorstellen, was ihr meint, Signor Kilian!”
Skrayana hatte den familieninternen Scherzen und Tadeln belustigt zugesehen. Sie wurde dadurch daran erinnert, dass sie nur einen Teil ihrer Familie überhaupt kannte. Aber ihre Verwandten in Grangor waren so anders als sie, humorlos, steif und nur an Handel und Zahlen interessiert. Ihr Vater war ein respektierter, aber vor allem gefürchteter Condottiere, dazu noch vermögend, aber eben auch ein Barbar aus dem hohen Norden. Ihre Mutter war eine liebliche Frau, fürsorglich und geschickt auf dem politischen Parkett der phecadischen Handelsstadt. Aber ihre Vettern und Basen sahen sie, das Resultat dieser Verbindung immer schon als eine Exotin, die man bei den gesellschaftlichen Anlässen in Grangor vorzeigen konnte, um Aufsehen zu erregen.
Sie wünschte sich auch einmal ihre Verwandten im Gjalskerland zu treffen, aber tief in ihrer Seele wusste sie, dass sie auch dort eine Exotin sein würde, eine feine Dame, die alle höfischen Tänze beherrschte und süßen Wein aus Kristallgläsern trank, unter riesenhaften Barbaren, die mit Orks und Ogern rangen und vergorene Milch aus Wollnashorn-Hörnern tranken.
Sie seufzte, aber ihre Miene hellte sich auf, als sie an die Turniere und die Turnierstreiter dachte, dort spielte die Herkunft ihres Vaters oder ihrer Mutter keine Rolle, nur die rondrianischen Tugenden auf der Turnierbahn zählten. Als Knappin von Dareius Amarinto genoss sie bereits jetzt ein hohes Ansehen, aber auch die Erwartungen an sie waren hoch. Das konnte sie aber nicht aufhalten. Die Turnierbahn war ihre Heimat, die Turnierstreiter waren ihre Familie.
Sie sah Methelessa an und lächelte unschuldig. In diesen Momenten war sie das Ebenbild ihrer Mutter, sagte zumindest ihr sonst so schweigsamer Vater.