Briefspiel:Kaiserjagd/Eine magische Nacht IV
Eine magische Nacht IV
30. Hesinde 1046 BF (Wintersonnenwende, Erleuchtungsfest), Vinsalt
Autoren: Amarinto, Bella, VivionaYaPirras
Nach dem Zusammentreffen mit Patriziern aus Efferdas bewegte sich die Gruppe um den Baron von Ucurino, Baronessa Ollantur und den Cavalliere aus Sewamund weiter auf den Ballsaal zu. Kurz bevor sie diesen erreichten, stießen sie wieder auf die junge Knappin Innocencia Solivino, der sie bereits einige Tage zuvor in der Oper begegnet waren. Auch diesmal war sie in Begleitung ihres Schwertvaters Cavalliere Banderoso Festo von Schreyen unterwegs, der sich gerade mit Cavalliera Banderosa Clarizia von Tomrath unterhielt, mit der er sich für den Abend verabredet hatte. Innocencia erkannte Orleane ya Pirras und Dareius Amarinto und machte diese auf ihre Gruppe aufmerksam.
Dareius Amarinto trat näher: “Signora Innocencia, wie ich vermutete so treffen wir uns auch hier beim Ball wieder.”
Er nickte höflich.
"Signor Amarinto, Signora ya Pirras. Es ist mir eine Freude, Euch zu sehen."
Die Knappin knickste in die Runde und lächelte erfreut Orleane und Dareius an.
Innocencia trug zu dem Anlass eine Maske mit einem zarten, goldenen Rosenmuster, die die obere Gesichtshälfte bedeckte. Ihr schwarzes Haar war geflochten und hochgesteckt. Das Ballkleid war aus einem geschmeidigen, tiefroten Stoff mit eingewebten, glitzernden Goldfäden, die im Saum das Rosenmuster der Maske wieder aufgriffen. Dunkelblaue Akzente an den Ärmeln vollendeten das Bild. Insgesamt war sie zwar rahjanisch gekleidet, jedoch aufgrund ihres junges Alters nicht so freizügig wie die meisten älteren Vertreter ihrer Familie auf einem solchen Ball erschienen wären.
Orleane erwiderte den Knicks.
“Auch mir ist es eine große Freude Euch wiederzusehen, Signora Innocencia. Diesmal auch in Begleitung Eures Schwertvaters. Cavalliere Banderoso Festo von Schreyen, wenn ich mich richtig erinnere.”
Festo und Clarizia unterbrachen ihr Gespräch, das sich um irgendwelche internen Verwicklungen der Ardariten seit dem Sternenfall gedreht hatte. Sie begrüßten die Anwesenden höflich.
Dareius wandte sich an Clarizia von Tomrath, der er nur einmal flüchtig bei einem Turnier begegnet war. Ihrer Tochter Iridia war er jedoch bereits häufiger auf der Turnierbahn gegenüber gestanden und schätzte sie sehr.
“Signora, es ist mir eine Ehre Euch wiederzutreffen. Richtet doch bitte eurer Tochter, Signora Iridia, meine besten Grüße aus!”
Er nickte Festo von Schreyen zu, den er bereits mehrfach auf Turnieren getroffen hatte.
“Edelwohlgeboren, wie immer eine Freude euch zu treffen.”
Innocencia kramte derweil den Entwurf des Minnelieds, den Dareius ihr gegeben hatte, aus der Handtasche und überreichte ihm den Zettel.
"Ich, äh, habe am Rand ein paar Vorschläge notiert und eine Idee, wie man vielleicht die Metaphern ein wenig mehr hervorheben könnte."
Sie errötete und war froh um die Maske, auch wenn ihre Verlegenheit dennoch offensichtlich war.
"Es ist natürlich auch ohne meine Ideen ein meisterliches, wunderschönes Gedicht, Signor.”
Dareius nahm das Schriftstück von Innocencia entgegen und studierte es eine Zeit lang. Seine Stirn legte sich in Falten und er ging die einzelnen Verse kaum hörbar durch. Er nickte nachdenklich und wandte sich dann wieder an Innocencia.
“Eure Vorschläge gefallen mir sehr gut, ihr habt wahrlich Talent, Signora Innocencia.”
Er reichte ihr das Papierstück zurück.
“Nehmt es, dank eurer Änderungen ist es Euer Werk geworden, mit eurem ganz eigenen Stil. Wenn ihr noch ein wenig daran feilt, dann könnt ihr es vielleicht sogar veröffentlichen lassen.”
Innocencia hatte Dareius nervös beobachtet, als er die Verse durchging. Nach seinem Lob war sie für einen Moment lang sprachlos. Sie sollte es veröffentlichen lassen? Sie nahm das Papier entgegen. Doch mehr als ein: „Vielen Dank, Signor“, brachte sie nicht heraus.
Dareius nickte ermutigend.
“Signora, mit Worten könnt Ihr bereits hervorragend umgehen. Aber wie steht es um Eure Eleganz auf dem Tanzparkett? Wärt Ihr bereit, mir einen Tanz zu gewähren?”
"Wollt Ihr etwa das Können einer Solivino auf dem Tanzparkett infrage stellen?"
Innocencia hatte ihr Selbstvertrauen wiedergefunden und lächelte ihn beinahe herausfordernd an.
"Ich nehme Eure Einladung mit Freuden an."
Mit einer beschwichtigenden Geste antwortete Dareius lachend.
“Hervorragend, ich freue mich bereits darauf, Signora.”
In einem unbemerkten Moment trat die Knappin näher an Orleane heran und flüsterte so leise, dass es niemand sonst hören konnte: "Ich werde dafür sorgen, dass wir nach dem Tanz genau vor Euch stehen und nicht vor der Baronessa Ollantur."
Wenn man unter dem Einfluss mehrerer Rahja-Priester aufgewachsen war und früher einen Tempel der Lieblichen sein zweites Zuhause genannt hatte, bekam man irgendwann mit, wann sich zwei Personen wirklich liebten und wann es nur um politische Machtspielchen ging. Zudem hatte Innocencia das Gefühl, Orleane etwas schuldig zu sein. Dass man durch solche kleinen Spielchen vielleicht kopfüber in das Haifischbecken der Intrigen stürzen konnte, war der Zwölfjährigen nicht bewusst.
Kurz war Orleane überrascht über die schnelle Auffassungsgabe der Knappin, schenkte ihr dann aber ein freundliches Lächeln. Sie hatte so ein Gefühl, dass sie in den nächsten Tagen noch einmal mit ihr sprechen sollte. Hinter ihrem Rücken sprachen Baronessa Dalia und Baron Mathesio kurz miteinander. Nach einem kurzen Nicken des Adeligen trat dieser neben Orleane.
“Werte Signora, schenkt Ihr mir den nächsten Tanz?”
Er nahm ihre Hand und hauchte einen Kuss auf den Handrücken.
“Wie könnte ich eine so formvollendete Bitte ablehnen, Herr Baron. Es wird mir eine Ehre sein.”
Sie legte ihre Hand auf seinen Handrücken und beide schritten langsam voran.
Dareius reichte daraufhin Innocencia die Hand zum Tanz. Derweil erteilte Baronessa Ollantur lachend Cariana Amarinto eine Lektion in der Fächersprache, welche die Ritterin, die es sonst gewohnt war mit Schwertern und Lanzen zu hantieren, nur rudimentär beherrschte.
Innocencia nahm Dareius' Hand und sie liefen zur Tanzfläche.
Gleichzeitig bat Festo von Schreyen Clarizia von Tomrath zum Tanz, woraufhin auch die beiden hohen Vertreter des Arivorer Adels zum Parkett schritten.
So drehten sich die jeweiligen Paare mehr oder weniger gekonnt auf dem Parkett. Baron Mathesio erwies sich als so meisterlicher Tänzer, wie man es von einem Vinsalter Salonlöwen erwarten konnte. Auch Dareius und Innocencia absolvierten den Tanz routiniert. Am Ende des Tanzes spürte Dareius wie die junge Knappin sanft die Kontrolle übernahm und gespannt spielte er mit. Als die Musik verklang, standen sie direkt vor Baron Mathesio und Orleane. Der Baron als erfahrener Tänzer und Kenner aller subtiler Botschaften auf dem Tanzparkett bat also Innocencia um den nächsten Tanz und so standen Dareius und Orleane voreinander. Die Baronessa Ollantur hatte inzwischen Cariana Amarinto überzeugt, ihren Widerstand gegen das Tanzen aufzugeben und führte sie aufs Tanzparkett. Die erfahrene Tänzerin übernahm leichtfüßig die Führung und kompensierte die zahlreichen Schrittfehler der eher unerfahrenen Tänzerin Cariana. Einige Sekunden mit angespanntem Schweigen zwischen Orleane und Dareius vergingen, während die Musik für den nächsten Tanz bereits langsam begonnen hatte.
Es fiel Orleane schwer, sich von den Augen ihres Dienstherrn zu lösen.
“Wir sollten beginnen Cavalliere, bevor wir den anderen Paaren im Wege stehen.”
Wie selbstverständlich ergriff sie seinen rechten Arm und führte ihn zu ihrem Rücken. Sie legte ihre linke Hand auf seine Schulter. Wie von selbst fanden sich ihre freien Hände. Orleane nickte Dareius zu und beide begannen sich im Takt der Musik zu bewegen.
Der erfahrene Tänzer straffte sich und sie drehten sich trotz des etwas holprigen Starts routiniert über die Tanzfläche. Er versuchte das Thema auf etwas anderes zu lenken und flüsterte ihr zu: “Ich hatte den Eindruck, die Camaros sind nicht gerade die besten Freunde deiner Familie. Was ist denn vorgefallen, um solche versteckten Animositäten zu rechtfertigen?”
Er zog sie etwas fester an sich, damit sie ihre Antwort leise in sein Ohr flüstern konnte, reflexhaft streichelte er kurz ihren Rücken bis er sich selbst ertappte und seine Hand in die klassische Tanzhaltung zurückfiel.
“Das ist schnell erklärt”, flüsterte Orleane, “es war ein Traviabund zwischen unseren Häusern ausgehandelt worden. Aber am Tag vor der Hochzeit ergriff die Braut die Flucht. Dies sorgte für Unstimmigkeiten. Verständlich, oder nicht?”
Dareius lachte überrascht, diese Wendung hatte er nicht erwartet. Dann erstarrte er und blickte Orleane fragend ins Gesicht. Sein Blick war kaum misszuverstehen und so musste er die Worte der Frage gar nicht erst aussprechen: “Warst du diese Braut?”
Orleane riss kurz die Augen auf, um dann sofort wieder ihre Fassung zu gewinnen, um den Tanz nicht zu unterbrechen.
“Nein, nein. Der Herr Boron sei mein Zeuge, ich war es nicht. Meine Cousine Terantina war die Braut. Natürlich rechne ich jederzeit damit, dass mein Vater dieses Thema zur Sprache bringen wird. Aber glaube mir, nach diesem Vorfall wird es nicht über meinen Kopf hinweg entschieden.”
Kurz drückte sie Dareius’ Hand etwas fester.
Dareius fühlte sich erleichtert, auch wenn es ein unangenehmes Thema war. Auch seine Eltern lagen ihm seit sicherlich mindestens zehn Götterläufen in den Ohren, er solle doch endlich den Traviabund eingehen und seiner Verantwortung für das Haus Amarinto gerecht werden. Aber sie verstanden es einfach nicht … es war kompliziert. Er bemerkte, dass Orleane irgendeine Reaktion von ihm erwartete. Er hatte sie wohl einige Sekunden einfach nur angestarrt, während sie sich im Takt der Musik über das Parkett bewegten.
“Das freut mich zu hören … sehr sogar”, sagte er schließlich, nur um seine forschen Worte am Ende doch noch einzufangen. “Gute Dottoras sind schließlich nicht leicht zu finden.”
Er lächelte unsicher. Doch schon im selben Moment wurde ihm klar, was er da gerade gesagt hatte. Gerade er, der sonst so sicher mit Worten hantierte, hatte nun das so ziemlich am wenigsten empathische gesagt, was man in dieser Situation hätte sagen können.
“Das stimmt. Gute Dottoras gibt es nicht so viele”, bestätigte Orleane. Ihr Lächeln war unverändert und auch an ihrer Gestik und Mimik war nichts anzumerken, aber innerlich war sie doch getroffen. Aber was hatte sie denn auch erwartet. Natürlich war es ihr auch aufgefallen, dass sein Haus, in Form seiner Eltern, ihm mit einem Traviabund schon sehr in den Ohren lag. Erst recht nach den Geschehnissen in der letzten Zeit. Bevor sie zu sehr ins Grübeln geriet, endete der Tanz. Sie löste sich aus seiner Umarmung und verbeugte sich.
“Ich danke Euch für den Tanz.”
Dareius nickte nur und ärgerte sich über seine ungeschickte Formulierung. Er hatte sie nicht verletzen wollen, aber er glaubte dennoch, dass sie es so aufgenommen hatte. Er überlegte kurz sie nochmals um den nächsten Tanz zu bitten und es vielleicht mit einer freundlichen Geste wiedergutzumachen, doch da war bereits ein ihm unbekannter junger Edelmann an Orleane herangetreten. Der schwarzhaarige Adlige war gutaussehend und athletisch mit einem gewinnenden Lächeln. Seine Maske und seine Kleidung waren einem Krieger aus dem alten Bosparan nachempfunden und seine Haut hatte einen leichten, natürlichen Bronzeton.
“Es erfüllt mich mit großer Freude Euch wiederzusehen, Signora Orleane. Und doch seht Ihr mich überrascht Euch bei so einer förmlichen Veranstaltung anzutreffen.”
Er ergriff ihre Hand und hauchte einen Kuss auf den Handrücken. Kurz überlegte Orleane und dann hellte sich ihre Miene auf.
“Cavalliere Berytos von Malur. Wie viele Götterläufe sind seit unserem Zusammentreffen vergangen? Zu viele glaube ich.”
“Wie wahr. Es war kurz nach dem Abschluss der Akademie, wenn mich nicht alles täuscht. Eure Eltern hatten eine Audienz bei meinem Vater, aber … würdet Ihr mir diesen Tanz schenken, Signora? Natürlich nur, wenn es Eurem Galan genehm ist.”
Orleane winkte mit einer beschwichtigenden Geste ab.
“Macht Euch keine Gedanken, Cavalliere von Malur. Mein vermuteter Galan ist mein Dienstherr Cavalliere Dareius Amarinto. Und es liegt in meinem Ermessen, mit wem ich wie oft tanze. Hauptsache Ihr bringt mich nachher wieder zurück.”
“Dies muss ich mir wahrhaftig überlegen, Signora ya Pirras. Ihr erlaubt..?”
Berytos von Malur verbeugte sich und hielt Orleane seine Armbeuge hin. Kurz an Dareius gewandt sprach er: “Ich werde sie Euch wohlbehalten zurückbringen. Versprochen, Cavalliere Amarinto.”
Er wartete die Reaktion gar nicht erst ab, sondern entschwand, mit Orleane im Arm, in Richtung der Tanzfläche.
Dareius Amarinto schwankte zwischen Überraschung und Empörung. Aber auch er war nicht neu auf dem gesellschaftlichen Parkett und fand recht schnell seine Fassung wieder und nickte nur mit gespielter Freundlichkeit. Dieser junge Mann musste einer der vielen Söhne des Barons von Malur sein. Er schien wie aus dem Nichts aufgetaucht zu sein und Orleane von früher zu kennen. Ihm war natürlich die unterschwellige Herausforderung des covernischen Edelmanns nicht entgangen. Er stand für eine kurze Weile unentschlossen auf der Tanzfläche und wollte sich gerade abwenden, um das Parkett zu verlassen, da legte sich eine Hand, weiß wie Porzellan, auf die seine.
“Cavalliere, Ihr wollt doch nicht schon das Tanzparkett verlassen ohne mir einen Tanz zu schenken?”
Die Baronessa Ollantur stand vor ihm, ihr Blick war eine Mischung aus der perfekt einstudierten Mimik der Schauspielerin, welche die unschuldige Naivität perfektioniert hatte, und dem tiefer liegenden durchdringenden Blick des Jägers, der seine Beute fixiert. In einem Anflug von verletzten Stolz nahm Dareius die Haltung an, die ihn auch auf der Turnierbahn auszeichnete, vor allem wenn er einem würdigen Gegner gegenüber trat. Seine Körpersprache zeigte deutlich, dass er die unausgesprochene Herausforderung – sowohl der Baronessa als auch des Malurers – anzunehmen gedachte und er verneigte sich galant.
“Es wäre mir eine Ehre, Baronessa!”
Er nahm ihre Hand und legte die andere mit festem Griff um ihren schlanken Rücken und sie begannen sich zur Musik zu drehen, welche sie wie zufällig schon bald in die Nähe von Berytos von Malur und Orleane ya Pirras spülte. Als die beiden Paare auf gleicher Höhe waren, nickten Dareius und Dalia Orleane und Berytos zu. Der unausgesprochene Wettbewerb war damit eröffnet.
Innocencia genoss auch den Tanz mit Baron Mathesio und absolvierte ihn leichtfüßig. Sie war fest in dem Glauben, rahjagefällig gehandelt und Orleane einen Gefallen erwidert zu haben.
Anschließend genehmigte sie sich ein Glas Wein von dem Tablett eines bereitstehenden Bediensteten. Da bat sie der Vinsalter Adlige Rimaldo di Striazirro mit einer eleganten Verbeugung um einen Tanz. Sie nahm seine Bitte erfreut an und kehrte ausgelassen zum Tanzparkett zurück, wo bereits eine etwas schnellere Musik angespielt wurde.