Briefspiel:Kaiserjagd/Bosparanische Träume V

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Kaiserjagd.png Städteübergreifendes Briefspiel Kaiserjagd.png
Datiert auf: 1.-6. Firun 1046 BF Schauplatz: von Aldyra in den Wald von Persenciello Entstehungszeitraum: ab März 2024
Protagonisten: Khadan II. Firdayon, etliche Hochadlige und weitere Noble des Reiches Autoren/Beteiligte: Haus Amarinto.png Amarinto, Familie Solivino.png Bella, Familie ya Malachis.png Cassian, Horasreich-klein.png Dajin, Haus della Pena aeH.png Dellapena, Haus Sirensteen.png Erlan, Familie Flaviora.png Flaviora, Familie Gerber.png Gerberstädter, Haus Urbet.png Gonfaloniere, Haus della Pena jH.png Horasio, Familie van Kacheleen.png Kacheleen, Familie Luntfeld.png Luntfeld, Haus Legari.png Nebelzweig, Haus Carson.png OrsinoCarson, Familie di Cerrano.png Princeps, Haus di Salsavur.png Rondrastein, Haus Romeroza.png Savinya Romeroza, Haus Veliris.png Schatzkanzler, Familie Ventargento.png Silberwind, Haus Tribec.png Tribec, Wappen fehlt.png Vairningen, Haus ya Pirras.png VivionaYaPirras u.w.
Zyklus: Übersicht · Teilnehmer · Schauplätze · Regeln · Gerüchteküche · Erster Tag

Geschichten vor der Jagd: Firungefällige Fragen I · II · Eine bescheidene Bitte · Eine Antwort aus Horasia · Unter Wölfen · Das Haus Veliris · Prinz und Prinzessin · Ungewisses Parkett · Folnors Bankett · Die "Minnesängerin" · Kamingespräch zu Imdallyo · Der Kalif von Unau · Am Tag der Volkskunst I · II · Gräfin Tergelstirn · Eine Schuld wird beglichen I · II · III · IV · V · VI · VII · VIII · Eine magische Nacht I · II · III · IV · V · VI · VII · Bosparanische Träume I · II · III · IV · V
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Bosparanische Träume V – Dritte Träume oder: Zurück an der Oberfläche

In der Nacht vom 30. Hesinde auf den 1. Firun 1046 BF, Vinsalt

Fortsetzung von hier.

Autoren: Amarinto, Gerberstädter, VivionaYaPirras


Amalias dritter Traum
Als sie die Augen aufschlug, lag sie auf einer Wiese und blickte in einen strahlend blauen Himmel. Es war angenehm warm und roch nach frischem Gras und dem Meer. Sie konnte das Rauschen der Brandung hören und die entfernten Rufe einiger Seevögel. Ob sie wohl ins Meer springen musste und schwimmen um diesmal zu Arbas zu gelangen?
Unerwartet fiel ein Schatten auf sie. Die junge Frau wandte sich in Richtung der Praiosscheibe und war irritiert, denn der Ursprung des Schattens war weder Arbas noch ein gewisser Baron oder sonst jemand aus der illustren Runde der Besucher des Kellergewölbes irgendwo in Alt-Bosparan.
Nein, es war ein Wesen, das in etwa die Statur eines großen, kompakt gebauten Mannes hatte. Allerdings hatte es den Kopf eines Widders, mit kräftigen, einwärts gedrehten Hörnern. Zwei gelbe Augen blickten sie aufmerksam und durchaus lüstern an. Die Arme und die breite Brust hatten etwas sehr menschliches, auch wenn sie sehr stark behaart waren. Neben dem Kopf erinnerten auch die Beine des Wesens an die eines Schafbocks. Ihr Blick blieb an den unbedeckten Lenden des unzweifelhaft männlichen Wesens hängen und allen Anschein nach schien er sich sehr über ihren Anblick zu freuen.
Kurz überlegte sie, und war sich dann sehr sicher, dass es sich bei dem Wesen um einen Levschy handeln musste. Von dem hatte sie von den Bornländern, welche sich in Efferdas niedergelassen hatten, gehört. Levschije waren Feenwesen, die wohl von Levthan nach seinem eigenen Ebenbild erschaffen worden waren. Wie die meisten der Geschöpfe der Anderswelt sind sie wild, launisch, verspielt und neigen dazu, ihren Gefühlen und Trieben freien Lauf zu lassen ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse und Wünsche anderer Wesen. Sie wusste außerdem, dass diese Kreaturen zu extremer Aggression fähig sind, was wohl mit der Position des Levthanssterns zu tun hatte, aber das hatte sie sich nicht so genau gemerkt. Was ihr aber sehr wohl in Erinnerung geblieben war, war der Umstand, dass bornische Hexen wohl eine ganz besondere Faszination für die Levschije hegten und kaum eine Hexennacht ohne diese und ihre brünftige Gesellschaft statt fand.
Der Mannwidder trat an sie heran, beugte sich lächelnd vor und sprach sie mit einer tiefen, angenehm warmen Stimme an: „Amalia, wir warten schon eine Weile auf dich! Arbas ist auch schon da.“
Sein Blick wanderte mit unverhohlener Begierde über ihren Körper. Plötzlich hielt er ein gedrehtes Horn mit silbernen Verzierungen in der rechten Hand und reichte es ihr.
„Du solltest dich vorher etwas stärken, ist noch ein gutes Stück Weg!“
Sie ergriff das Horn und trank es in gierigen Zügen leer, fast wie eine Verdurstende, der man nach Tagen des Darbens das erste Wasser reichte. Der starke Duft von Moschus stieg in ihre Nase und gemeinsam mit dem Inhalt des Trinkhorns schien eine stärkende, aber auch aphrodisierende Wirkung einherzugehen.
Wieder begannen tausend Farben die Welt um sie herum zu verhüllen. Langsam begann sich alles zu drehen und sie wurde in einen Strudel aus Farben, Klängen und Düften gesogen, der ihr Bewusstsein, ihren Verstand an den äußersten Rand des Universums drängte. Das Gefühl zu schweben wurde von einem Gefühl wie dem einer rasanten Kutschfahrt über grobes Pflaster verdrängt. Immer wieder tauchten kurz schemenhaft Gesichter auf, Baron dil Cordori, Arbas, Cariana, Baronessa Ollantur, der Levschy, Dareius, Orleane, das strenge, vernarbte, aber nicht unattraktive Gesicht der Leibwächterin des Barons und dazwischen auch immer Gesichter ihr unbekannter, namenloser Männer und Frauen. Was allerdings dominierte, war das Gefühl ungekannter Wärme und Geborgenheit, ein nicht enden wollender Zustand von höchster Erregung und Unverletzbarkeit.


Amalia Gerber öffnete blinzelnd die Augen, ihr Kopf schwer von der rauschhaften Nacht, während sich ein dicker, süßer Duft nach Wein und exotischen Räuchermischungen in ihre Sinne schlich. Das Licht, das durch die schweren, seidigen Vorhänge sickerte, war gedämpft, doch schmerzte es dennoch in ihren Augen. Ihr Körper war von einem weichen Meer aus Seide und Samt umgeben. Die Kissen und Decken des verschwenderisch ausgestatteten Bettes fühlten sich unter ihren Händen wie die flauschigen Wolken eines Traums an.
Es dauerte einen Moment, bis sie sich daran erinnerte, wo sie war – oder besser gesagt, dass sie es nicht wusste und erst recht nicht, wie sie hierher gekommen war. Ein flüchtiger Blick in den Raum offenbarte das prächtige Chaos der vergangenen Nacht. Überall lagen zerknitterte Kleidungsstücke, halb leere Weingläser und teure, vergoldete Gefäße, in denen Reste von süßlichem Rauch aufstiegen. Ein Spiegel an der Wand zeigte ihr schwach verzerrtes Abbild, ihre Haare wirr, ihre Lippen verschmiert, ihre Haut noch rosig von den Erlebnissen der Nacht.
Neben ihr lag der Baron Mathesio dil Cordori, der, obwohl sein Gesicht mit müder Befriedigung zur Seite geneigt war, immer noch die Aura dekadenter Macht ausstrahlte. Sein Atem ging schwer und ruhig, seine rosige Haut schimmerte im Zwielicht. Auf der anderen Seite des Bettes lag seine Leibwächterin, die rothaarige Fechterin, deren kantiges, narbenübersätes Gesicht selbst im Schlaf wachsam wirkte. Ihre nackte Haut zeigte die Spuren vieler Kämpfe, doch es war die wilde Leidenschaft der vergangenen Nacht, die sich in den frischen Striemen und Kratzern auf ihrer hellen Haut abzeichnete.
Amalia konnte sich nur bruchstückhaft an das erinnern, was geschehen war. Flimmernde Bilder von Wein, der ihre Lippen berührte, von zärtlichen Berührungen und lodernden Blicken, und von der verführerischen Mischung aus Dekadenz und Rausch, die sie in den Mauern Alt-Bosparans erlebt hatte. Es war ein Spiel gewesen, ein gefährliches, sinnliches Spiel, bei dem Grenzen überschritten und Hemmungen fallen gelassen worden waren. Und sie hatte mitgespielt – mit Leidenschaft, mit Rausch und mit einer Hingabe, die sie nun schwindeln ließ.
Die zwei anderen Gestalten im Raum, deren Gesichter sich kaum aus dem Nebel ihrer Erinnerungen schälten, lagen auf den seidenen Diwanen, die über den Raum verstreut waren. Einer von ihnen war ein sehr attraktiver junger Mann, vielleicht ein Freund des Barons, oder nur ein weiterer Mitspieler in dieser verhängnisvollen Nacht, die andere eine schlanke junge Frau, deren fragiler nackter Körper unter einem luxuriösen, durchscheinenden Seidentuch ruhelos schlief.

Amalia hob die Hand und fühlte die kalte Berührung eines juwelenbesetzten Armreifs an ihrem Handgelenk, den sie sich nicht erinnerte, angelegt zu haben. Ihre Finger strichen durch ihre verschwitzten Haare, während sie versuchte, die Fetzen der Nacht zusammenzufügen. Doch es war, als ob ihre Erinnerungen im Weich der Seidenlaken und im süßen Rausch verloren gegangen wären.
Die Luft roch schwer nach Parfüm, nach Schweiß und dem Aroma von verschüttetem Wein. Irgendwo im Raum hörte sie das leise Knistern von Kohlen im Kamin. Alles war still, eine träge, luxuriöse Ruhe, die in der verschwenderischen Opulenz des Raumes widerhallte. Die Möbel waren von feinster Qualität, reich verziert mit Gold und Brokat. Über ihren Köpfen hing ein gewaltiger Kronleuchter, der wie ein bedrohlicher, doch verführerischer Anker des Reichtums wirkte.
Amalia schloss die Augen und ließ sich für einen Moment wieder in die Schwärze gleiten, unfähig, sich der Frage zu stellen, was der nächste Schritt sein würde. Alles, was zählte, war das Gefühl der vagen, verschwommenen Erregung, die immer noch in ihrem Körper pulsierte, wie ein dunkles Echo der vergangenen Nacht.


Dareius' dritter Traum
Die Farben des Traumes pulsierten um Dareius Amarinto, als er auf der sonnenüberfluteten Klippe einer der Zyklopeninseln stand. Das Meer erstreckte sich vor ihm, tiefblau und endlos, während der Duft von Lavendel und Oliven die warme Luft erfüllte. Vor ihm, inmitten antiker Ruinen, stand eine Frau in leichter zyklopäischer Kleidung, Rondinella von Trebesco. Ihr selbstbewusster, unnahbarer Blick und ihre braunen Augen, die ihn fixierten, ließen seine Brust eng werden. Die Hitze der mediterranen Sonne ließ den Boden unter seinen Füßen flimmern, als ob selbst die Erde seine innere Unruhe widerspiegelte.
Er spürte ihre Nähe, roch den sanften Duft ihrer Haut, als sie die Hand auf seine Wange legte.
„Dieser Ort gehört uns, Dareius“, flüsterte sie.
Ihre Stimme war weich und doch stark, voller unausgesprochener Gefühle. Ihre Berührung schickte Wellen von Wärme durch seinen Körper, und seine Sehnsucht, sie zu küssen, wurde überwältigend. Ihre Lippen kamen einander näher, und die Welt schien stillzustehen, als ob Dere für diesen Moment den Atem anhielt.
Doch plötzlich … ein dumpfer Schlag. Ein leises, ratterndes Geräusch störte die Harmonie. Dareius spürte einen leichten Ruck in seinem Körper, ein unsanftes Schaukeln, das nicht zu der sanften Brise der Insel passte. Sein Blick flackerte. Für einen Moment verschwanden die antiken Säulen und das azurblaue Meer, ersetzt durch ein Gefühl von Enge und Dunkelheit. Ein anderes Geräusch drang in seine Wahrnehmung – das Rumpeln von Kutschenrädern auf Kopfsteinpflaster. Der Duft von Lavendel wurde schwächer, verdrängt von etwas anderem, einer schwereren, erdigen Note.
Er blinzelte, und für einen kurzen Moment sah er das Innere einer Kutsche. Das Poltern der Räder hallte dumpf in seinem Kopf. Er fühlte, wie seine Hand über weiche Haut glitt – nicht die Rondinellas aus dem Traum, sondern von jemand anderem. Die Realität schlich sich in seinen Traum wie ein Dieb in der Nacht. Neben ihm saß die Baronessa Ollantur, sie waren eng umschlungen. Ihr Körper war warm, ihre Haut weich. Sie lächelte verführerisch und hielt einen Becher mit einer dunklen Flüssigkeit in der Hand.
„Trink“, flüsterte sie, und ihre Stimme war verführerisch und befehlend zugleich.
Sie führte den Becher an seine Lippen, und er spürte, wie der süße Geschmack des Weins seine Kehle hinabfloss, gemischt mit etwas anderem – dem feinen, regenbogenfarbenen Pulver, das sich im Wein auflöste. Der Rausch wurde intensiver, der Geschmack fremd und süß zugleich, und für einen Moment verlor er sich in den Augen der Frau, die ihn mit einer Mischung aus Zärtlichkeit und Gier ansah.
Sein Blick verschwamm, die Kutsche und die Frau begannen, sich in Farben und Formen aufzulösen, und Dareius fühlte, wie er wieder zurückglitt in die Welt der Träume. Er spürte die Lippen der Baronessa wieder auf seinen, spürte ihre Finger, die sanft über seine Wange strichen. Doch in seinem Inneren blieb ein schwaches Echo des Traumes – Rondinellas, ihrer tiefen braunen Augen und dem Gefühl von etwas Unerreichbarem, das ihn immer noch mit leiser Sehnsucht erfüllte.


Das Zimmer im Bordell Lustgrotte war erfüllt von einem schweren, süßlichen Duft, der noch immer in der Luft hing, als das erste fahle Licht der Wintersonne sich durch die schmalen Ritzen der Fensterläden kämpfte. Dareius erwachte mit einem dumpfen Dröhnen im Kopf und einem bitteren Geschmack auf der Zunge. Sein Magen war flau und sein Körper war von der Erschöpfung der Nacht wie betäubt, und nur bruchstückhafte Erinnerungen an die exzessiven Stunden tanzten wie Schatten durch seinen Geist. Er lag in den zerwühlten Laken, nackt, und spürte sofort die Wärme der Körper neben ihm.
Neben ihm lag eine Halbelfin, deren schlanke, fast übernatürlich schöne Gestalt noch tief im Schlaf versunken war. Ihr Haar, leicht verwuschelt, lag wie ein goldener Schleier über den Kissen verstreut. Doch Dareius bemerkte bald, dass er offenbar nicht nur mit ihr die Nacht verbracht hatte.

Auf der anderen Seite des Bettes ruhte eine rothaarige Frau, deren welliges Haar wie flammende Locken über ihre bloßen Schultern floss. Ihr Körper war um die zerwühlten Decken geschlungen, und ihre grünen Augen, noch halb geschlossen, blitzten kurz auf, als sie sich im Halbschlaf zu Dareius drehte. Ihr Gesicht zeigte einen Ausdruck von Zufriedenheit, und ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen.

Dareius blinzelte, als er versuchte, die Puzzleteile der letzten Nacht zusammenzusetzen, doch bevor er seinen Gedanken wirklich fassen konnte, öffnete sich die schwere Tür. Ein leichter Luftzug strich durch den Raum, und Baronessa Dalia Ollantur erhob sich mit einer eleganten Bewegung aus den Laken. Mit der Gelassenheit einer Königin trat sie vor, zog ihren kostbaren Umhang um die Schultern und warf einen flüchtigen Blick auf die Szenerie im Bett, als sei sie die Dirigentin dieses dekadenten Spiels.
„Nun, Cavalliere“, sagte sie mit einem amüsierten, aber überlegenen Lächeln, während sie sich mit einer grazilen Bewegung zu ihm herabbeugte, bis ihre Lippen fast seine Wange berührten. „Es war eine ... anregende Nacht. Ihr habt Euch akzeptabel geschlagen.“
Ihre braunen Augen funkelten im schwachen Morgenlicht, und ihre Stimme trug einen Hauch von Verspieltheit in sich.
„Vielleicht sollten wir dies irgendwann wiederholen.“
Dareius, der sich noch immer schwerfällig, benommen und nicht zuletzt ausgezehrt fühlte, öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch nur ein heiseres Krächzen entwich seinen Lippen.
Die Baronessa lachte leise, richtete sich auf, tätschelte ihm die Wange und warf ihm einen letzten, selbstbewussten Blick zu.
„Bis dahin wünsche ich Euch eine erfolgreiche Jagd“, sagte sie mit einem süffisanten Lächeln, während sie zur Tür schritt.

Als die Tür sich mit einem leisen Knarren weiter öffnete, wartete dort Arion Amarinto, der Leibwächter, mit dem Ausdruck gewohnter Unerschütterlichkeit auf seinem Gesicht. Die Baronessa glitt mit erhobenem Haupt an ihm vorbei, ohne ihm auch nur eine Silbe zu schenken, und verschwand im Flur. Arion trat ein, schloss die Tür hinter sich und betrachtete kurz die Szene im Zimmer: Dareius, träge und verschwitzt inmitten der beiden Kurtisanen, das Chaos der vergangenen Nacht noch deutlich spürbar.
„Es wird Zeit, dass Ihr aufsteht, Herr“, sagte Arion in seinem üblichen, emotionslosen Ton, während er einen Eimer Wasser abstellte.
„Eure Flussbarke legt bald ab. Baron dil Cordori hat Euch einen Platz auf seinem eigenen Schiff reserviert.“
Dareius versuchte, sich aufzurichten, doch sein Körper fühlte sich schwer und träge an. Er blinzelte verwirrt, sein Kopf pochte, und die Frage brannte auf seiner Zunge, auch wenn er die Antwort teilweise bereits kannte: „Arion ... was ... was genau ist letzte Nacht passiert, nachdem wir den Maskenball verlassen haben?“
Ohne zu zögern, packte sein Verwandter seinen Arm und zog ihn mit einem festen Ruck unter den beiden nackten Körpern hervor. Die beiden Frauen regten sich kaum, als Dareius unter ihnen hervorkroch und sich auf die Bettkante setzte. Die Rothaarige öffnete kurz ein Auge, gähnte leise und rollte sich zufrieden auf die andere Seite, während die Halbelfe im Schlaf weiterdämmerte.
„Ihr habt getan, was Ihr immer tut, Cavalliere“, sagte Arion trocken, während er ihm ein frisches Seidenhemd reichte. „Nur diesmal in ... umfangreicherer Gesellschaft.“


Orleanes dritter Traum
Orleane hatte das Gefühl auf Wolken zu schweben. Sie gab sich ganz ihren Gefühlen hin. Wieder fanden sich ihre Lippen. Leicht öffnete sie ihren Mund und schickte ihre Zunge auf Wanderschaft. Weiterhin genoss sie die Berührung der Hände auf ihrer Haut. Sie spürte, wie diese ihren Rücken entlang strichen und ihr Kleid immer mehr und mehr öffneten. Behende zog sie ihre Schultern aus dem Ärmeln, so dass diese frei lagen. Nun begannen Orleanes Hände zu suchen. Sanft fuhren sie über den Bauch und sie spürte seine Muskeln. Aber sie wollte mehr. Sie öffnete ihre Augen und sah sein Gesicht. Dareius. Und auch er hatte diese Lust, dieses Verlangen in den Augen.
Mit einem Mal spürte Orleane eine weitere Berührung. Sanfte Hände strichen über ihren Rücken, streichelten ihre Arme. Lippen, die ihre Schultern liebkosten und langsam den Hals hinauf gingen. Langsam drehte sich Orleane um und sah in das Gesicht von Berytos von Malur. Auch in seinen Augen sah sie die gleiche Wollust wie in denen von Dareius.
Dareius. Wieder drehte sie sich um. Aber er war nicht mehr da. Vor ihr stand ein Schatten. Ein Schatten mit den Augen ihres Liebsten.


Orleane ya Pirras erwachte langsam aus den letzten Fäden eines wirren Traumes, als ein kühler Lufthauch die Schwerfälligkeit des Rausches aus ihren Gliedern vertrieb. Ihre Lider flatterten, und die verschwommene Welt um sie herum schälte sich nach und nach aus der Dunkelheit. Ein süßer Duft von Wein und Parfüm hing in der Luft, gemischt mit dem metallischen Aroma von verschüttetem Rotwein. Die seidene Bettwäsche schmiegte sich ungewohnt weich an ihre nackte Haut, und als sie sich reckte und blinzelte, erstarrte sie plötzlich. Eine seltsame, vertraute Schwere drückte auf ihre Brust, und das Kitzeln von weichem Haar auf ihrer Haut ließ sie innehalten.
Orleane spürte die Wärme eines anderen Körpers, der eng an ihren geschmiegt lag, und das regelmäßige Heben und Senken eines fremden Atems gegen ihre Seite. Ihr Atem stockte, als sie langsam den Kopf drehte und in die dichten, dunklen Haare blickte, die über ihre Brust und Schultern fielen. Das Gesicht der Frau neben ihr war friedlich im Schlaf, die vollen Lippen leicht geöffnet, die zarten Wimpern ruhten wie feine Schatten auf den Wangen.
Es dauerte nur einen Moment, bis die Erkenntnis wie ein Schlag in Orleanes Magen traf.
"Cariana", murmelte sie fassungslos, die Worte blieben ihr fast im Halse stecken. Ihr Herz raste, während die Wahrheit sich ihr gnadenlos offenbarte. Cariana Amarinto, die Schwester von Dareius, ihrem Dienstherren. Nun lag sie eng an sie geschmiegt, ihre nackte Haut an Orleanes Körper gepresst.
Orleane zwang sich, ruhig zu bleiben, um die Schlafende nicht zu wecken. Panik stieg in ihr auf, heiß und schneidend. Wie war es nur so weit gekommen? Die Erinnerungen an das berauschende Fest im Traumkeller Rabenschwinge kamen bruchstückhaft zurück – der süße Rausch, der Wein, die sich verflüchtigende Realität. Dareius, Amalia, Mathesio und … Cariana. Ihre Gedanken taumelten, als sie sich bewusst wurde, dass sie jetzt in einem Bett war, in dem sie nicht sein sollte – nackt und in den Armen der Schwester ihres Dienstherren.
Langsam ließ Orleane ihren Blick durch das Zimmer wandern, und ihr Unbehagen wuchs mit jedem Detail. Die rotgoldenen Tapeten, die dunkel gebeizten Holzmöbel, die großen Spiegel, die das Tageslicht auf goldverzierte Ornamente warfen. Carianas Zimmer. Der Ort war in einem Zustand der Verwüstung: Kleider lagen zerstreut auf dem Boden, die Überreste eines wilden Gelages. Umgestoßene Weingläser, zerrissene Blütenblätter und zerwühlte Stoffe zeugten von einer Nacht, die alle Grenzen gesprengt hatte. Alles sah so fremd und gleichzeitig bedrohlich vertraut aus.
Doch es war das, was Orleane in einer Ecke des Raumes sah, das ihr erneut den Atem raubte. Auf einem weichen, mit Brokat bezogenen Sofa in der Nähe der Fenster lag eine weitere Gestalt, nackt, die langen Beine lässig über die Armlehne geworfen, den Arm hinter dem Kopf verschränkt. Das Gesicht war zur Seite geneigt, halb im Schatten, aber der kräftige Körper schimmerte im Licht, und die Muskelstränge zeichneten sich unter der gebräunten Haut ab. Orleane schluckte. Die athletische, geschmeidige Gestalt war unverkennbar – Esindio, der junge Jäger aus Venga, den Dareius für die Kaiserjagd in seine Dienste genommen hatte.
Die plötzliche Erkenntnis ließ sie benommen zurück. Esindio war ihr erst vor wenigen Tagen durch seine charmante Art aufgefallen. Sie erinnerte sich, wie höflich er ihren Namen ausgesprochen und wie freundlich er sie angelächelt hatte. Ein einfacher Mann, dessen warme, freundliche Ausstrahlung sich deutlich von der Kälte und Arroganz vieler Adliger abhob. Sie hatte den Gedanken, dass er attraktiv war, unterdrückt. Aber jetzt …
Jetzt war er hier, nackt und scheinbar tief schlafend, und das Gefühl, das Orleane erfasste, war überwältigend. Was um alles in der Welt war geschehen? Wie war sie hier gelandet, in dieser Lage, die alles zu ruinieren drohte?
Orleane spürte, wie sich ihre Wangen röteten, eine heiße, brennende Scham und eine kalte Angst in ihrem Inneren tobten. Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen, während sie auf die wohlgeformten Linien von Esindios Körper starrte, die sich auf dem Sofa abzeichneten. Wie konnte sie sich je wieder vor Dareius oder Cariana zeigen? Die Nacht mit Cariana zu verbringen war schon schlimm genug, aber dass auch Esindio in diese Sache verwickelt war – das machte es zu einem drohenden Skandal, der sie beide ins Unglück stürzen konnte.
Sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, während ihr Herz wild in ihrer Brust pochte. Mit einer fast mechanischen Bewegung löste sie sich vorsichtig aus Carianas Armen und setzte sich langsam auf. Das kühle Leder der Bettkante fühlte sich hart und kalt an unter ihren Füßen. Sie warf einen flüchtigen Blick auf Cariana, die noch tief und ruhig schlief, eine Hand leicht ausgestreckt, als wollte sie nach Orleane greifen. Dann wanderte ihr Blick wieder zu Esindio. Selbst im Schlaf wirkte seine Physis noch beeindruckend.
Orleane schloss die Augen und atmete flach. Sie zwang sich, die drängende Panik beiseitezuschieben und einen klaren Kopf zu bewahren. Sie brauchte Kleidung. Und sie musste herausfinden, was hier geschehen war – was genau sie und die anderen in diese Situation gebracht hatte.


Carianas dritter Traum
Cariana fand sich wieder in einer vertrauten Szenerie: Es war ein kleiner Turnierplatz, irgendwo in Albernia, umgeben von grünen Hügeln und einer leichten Brise, die den Duft von Frühling und frischem Gras trug. Die strahlende Sonne schien sanft und warm. Es musste vor etwa zehn Götterläufen gewesen sein.
Vor ihr stand er, dieser junge rothaarige Ritter, Finnian. Sein Haar wehte leicht im Wind, und seine Augen funkelten, als er sie ansah. Sie fühlte ihre Jugend, die unbändige Aufregung und das schnelle Pochen ihres Herzens, als er sie zum Tanz bat. Sein Lachen klang wie Musik, und seine Hand auf ihrem Rücken war fest und doch sanft. Sie erinnerte sich daran, wie sie sich damals wie eine Feder gefühlt hatte, als sie sich in seinen Armen drehte, leicht wie der Wind, unbeschwert, als gäbe es nur diesen Moment.
Dann war da der Abend, das Fest nach dem Turnier, die vielen Lichter, die flackernden Fackeln, das Klirren der Becher und das Lachen der Menschen. Er hatte sie fortgeführt, weg von den anderen, hin zu einem ruhigen Platz hinter den Zelten, wo nur das Rauschen des nahen Flusses zu hören war. Sie erinnerte sich an die Berührung seiner Lippen auf ihren, an die Leidenschaft in seiner Umarmung, an das Kribbeln auf ihrer Haut. Es war so echt, so lebendig, als würde sie die Hitze seines Körpers erneut spüren, die Sehnsucht, die sie beide damals ergriffen hatte. Sie fühlte seine Finger, die sich in ihrem Haar vergruben, hörte das leise Murmeln seines Namens.
Doch langsam begann das Bild zu verschwimmen. Der albernische Ritter, dessen Gesicht so klar vor ihr gewesen war, wurde unschärfer. Seine Züge veränderten sich, sein Haar wurde dunkler, die Gesichtskonturen weicher. Cariana blinzelte in ihrer Halluzination, und sie bemerkte, wie die Umarmung sich wandelte. Der kräftige Körper des Ritters wurde zierlicher, sein Wappenrock wich sanften Stoffen, und die Hände, die sie hielten, fühlten sich anders an – vertraut, warm, geborgen.
Die Vision löste sich langsam auf, und Cariana fand sich wieder in der Gegenwart. Sie blickte auf die dunkelhaarige Frau in ihren Armen, die sie sanft an sich gedrückt hielt. Ihre Augen öffneten sich, und die Wärme des Traumes verblasste, nur um einer anderen Art von Geborgenheit Platz zu machen. Sie fühlte sich ruhig, in diesem Moment, die Frau bei sich, und die Realität vermischte sich mit dem Nachhall der Erinnerung. Cariana spürte ein Gefühl von tiefer Zufriedenheit, eine Art stiller Erfüllung, während sie die Gegenwart voll und ganz aufnahm. Dann rief die Erschöpfung sie wieder zurück in einen sanften Schlummer.